Heller, Barbara

La Caleta: Streichquartett Nr. 2 / Patchwork: Streichquartett Nr. 3

Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2010
erschienen in: das Orchester 04/2011 , Seite 68

Erst fünfzig Jahre nach der Entstehung eines während ihrer Studienzeit komponierten Streichquartetts hat sich die 1936 in Ludwigshafen geborene Barbara Heller erneut dieser Besetzung zugewandt. Ihr Musikstudium absolvierte sie in Mannheim und München, Kompositionsunterricht nahm sie bei Hans Vogt und bei Harald Genzmer. Von 1958 bis 1962 war sie Dozentin für Klavier an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in Mannheim. Seit 1963 lebt sie als freiberufliche Komponistin und Pianistin in Darmstadt.
Die vorliegenden Streichquartette Nr. 2 (La Caleta) und Nr. 3 (Patchwork) sind im Jahr 2008 entstanden, Widmungsträger ist das Ensemble Incendo Berlin. La Caleta bedeutet wörtlich übersetzt „kleine Bucht“. Laut Anmerkung im Notentext des 2. Quartetts ist damit „eine langsame, relativ ruhige Musik“ beschrieben: „Sie kommt aus dem Nichts und verliert sich ins Nichts wie eine große Welle.“ Die Keimzelle der Komposition sind zwei absteigende Ganztonintervalle (d – c und cis – h), die im Halbtonabstand gegeneinander gesetzt sind. Dieser Grundbaustein wird zu Beginn von den vier Instrumenten nacheinander pianissimo e senza vibrato in ruhiger Abfolge exponiert und gehalten, bis so auf engstem Raum ein schwebender, chromatischer Vierklang entstanden ist. Alle weiteren motivisch-thematischen Gestalten der Komposition lassen sich auf diese Ausgangskonstellation zurückführen. Dem Stück liegt eine dreiteilige A-B-A-Form zugrunde.
Das 3. Streichquartett Patchwork („Flickwerk“ oder „Flickenteppich“) entwickelt sich aus der Keimzelle einer übermäßigen Quarte (bzw. verminderten Quinte). Dieses Intervall wird dreifach aneinandergereiht und jeweils im Ganztonabstand gegeneinander versetzt (cis – g – f – h – a – dis). Das zügige Tempo und die Sequenzierung des so gewonnenen Motivs in auf- und absteigender Linie verleihen der Komposition ihren Impetus. Im Verlauf wird der Baustein übermäßige Quarte diatonisch ausgefüllt (z.B. cis – dis – eis – g usw.); so stehen alle motivischen Erweiterungen in enger Beziehung zum Ausgangsintervall.
Die beiden Streichquartette in einer Dauer von jeweils knapp zehn Minuten ergänzen sich komplementär durch die Gegensätzlichkeit ihres Materials (in Nr. 2 eine chromatische, in Nr. 3 eine diatonische Grund­kons­tellation) und des Ausdrucks (Nr. 2 zart und verhalten, Nr. 3 zupackend und extrovertiert). Eine Aufführung beider Kompositionen in Abfolge erscheint daher sinnvoll.
Barbara Heller bewegt sich in den beiden Streichquartetten ganz im Rahmen „gewohnter“ Spielweisen. Durch ihren mittleren Schwierigkeitsgrad sind die Kompositionen ebenfalls gut geeignet für jugendliche Ensembles (Wettbewerbe wie „Jugend musiziert“). Partitur und Stimmen sind sehr schön und übersichtlich gestaltet.
Otfrid Nies