Hausmann, Andrea / Sabrina Helm (Hg.)
Kundenorientierung im Kulturbetrieb
Grundlagen - Innovative Konzepte - Praktische Umsetzung
Der Kunde ist König, so lautet eine Binsenweisheit der klassischen kaufmännischen Ausbildung. Die Vielfalt von Kunden und ihren Bedürfnissen bildet seit jeher die Basis für den Bereich Marketing innerhalb der Betriebswirtschaftslehre. Der Kulturbereich allerdings, der sich jedenfalls im öffentlich finanzierten Nonprofit-Sektor schon mit den Begriffen Markt und Kunde unverändert ein wenig schwer tut, hat sowohl in der Theorie als auch in der Praxis noch einiges dazuzulernen. Gerade Theater und Opernhäuser befinden sich dabei immer mehr in einem Dilemma: Machen sie einen populären, also vordergründig kundenfreundlichen Spielplan, um die Eigeneinnahmen zu erhöhen, wird man ihnen vorwerfen, dass dafür die öffentlichen Gelder ja eigentlich nicht gedacht seien; machen sie einen künstlerisch ambitionierten Spielplan vor halb leeren Zuschauerrängen, wird gleich das ganze Haus infrage gestellt.
Die beiden Herausgeberinnen sehen in ihren einleitenden Bemerkungen die Besucherorientierung als Denk- und Führungsstil, als Basis innerhalb der gesamten Marketingkonzeption eines Hauses. Weitere Komponenten sind Besucheranalyse und -segmentierung, Besucherbehandlung, Besucherzufriedenheit und Besucherbindung. In insgesamt zehn Fachbeiträgen des folgenden theoretischen Teils befassen sich verschiedene Autoren mit zahlreichen Einzelaspekten der Kundenbeziehungen. So geht es beispielsweise um Verkaufsförderungsmaßnahmen im Kulturbereich, Strategien und operative Maßnahmen im Database-Management und Direktmarketing oder auch um im Kulturbereich eher ungewöhnliche Methoden wie den gezielten Einsatz von Mystery Visitors, also verdeckte Ermittler, die quasi als Testkunden Servicequalitäten und -standards eines Kulturbetriebs überprüfen: Wie serviceorientiert sind unsere Mitarbeiter? Wie kompetent reagieren wir auf Besucheranfragen? Sind unsere Besucher von den Services begeistert? Fragen und Themenkreise also, die einem in einem mittleren Stadttheater- oder Konzertorchester bislang in der Regel kein Kopfzerbrechen bereitet haben, deren intensive Behandlung in Zukunft jedoch wegen der immer stärkeren Konkurrenz durch andere Freizeitangebote größer werden wird. Weiter geht es um die Notwendigkeit eines besucherorientierten Umgangs öffentlicher Musiktheater mit ihrem jungen Publikum; bei diesem Beitrag ist es etwas ärgerlich, dass er in seiner bereits 1998 in einer Fachzeitschrift erschienenen Form nicht noch einmal überarbeitet und aktualisiert worden ist.
In dem kürzeren praktischen Teil des Buchs werden in vier Abhandlungen verschiedene Einzelprojekte vorgestellt: das Eifelmuseum Blankenheim, das Kooperationskonzept des Stadttheaters Hildesheim, das Jüdische Museum Berlin sowie verschiedene weitere Einzelfälle geglückter und gescheiteter Kundenorientierungsversuche.
Der Sammelband stellt eine weitere Bereicherung der in jüngster Zeit immer zahlreicher erscheinenden Publikationen auf dem Gebiet des Kulturmarketings dar. Dieses insgesamt zu empfehlende Buch gehört längst nicht nur in die Hände von Marketingfachleuten, sondern vor allem in die von Intendanten und Theater- und Orchestergeschäftsführern. Auch von ihrer Bereitschaft, sich durch Lektüre neuer und qualitativ hochwertiger Fachliteratur weiterzubilden und dieses neue Wissen auch in praktisches Handeln umzusetzen, werden die Geschicke vieler Theater und Orchester, aber auch sonstiger Kulturbetriebe in Deutschland abhängen.
Gerald Mertens