Kulturvollzugsanstalt by Bob Ross
Wer häufig Blechbläser-CDs hört, der wird auch wenn er selbst zu dieser Musiker-Spezies gehört irgendwann unleidig bei der chronischen Transkriptionitis, von der Schwer- und Leichtmetaller aller Länder befallen zu sein scheinen: von der Krankheit, möglichst virtuose Bearbeitungen möglichst populärer Stücke möglichst bunt zu mischen und sich selbst dabei meistens viel zu ernst zu nehmen.
Die Münchner Philharmoniker-Auswahl Blechschaden macht im Prinzip nicht viel anders, aber irgendwie macht sie alles richtig. Eine Kapelle mit Kultstatus, sympathischer als viele andere zusammen, nicht nur, weil sie schon mal zur Unterstützung der Spielvereinigung Unterhaching auftritt, sondern weil sie solch eine hintersinnige, lausbübische Laune verbreitet, dass man sie nur gern haben kann.
Blechschaden würfelt die Bearbeitungen derart wild durcheinander, dass man das als beinahe subversives Prinzip erkennen kann: Glenn Millers Moonlight Serenade neben Deep Purple, Elgars Enigma-Variationen nach einem zünftigen Zwiefachen, Albinonis Adagio zwischen einem Medley namens Rockschaden und gutem volkstümlichem Musikgut. Die Klischee-Schraube wird immer ein Stück über den Normbereich hinausgedreht, Händels Oboenkonzert für Posaune ausgesetzt und der Triumphmarsch aus Aida für Gartenschläuche.
Das funktioniert, aber es funktioniert nur, weil Blechschaden zur gleichen Zeit eines der besten Ensembles der Republik ist, beispiellos in seiner Geschlossenheit, mit seinem samtigen Glanz und seiner Flexibilität. Die Fremdenlegion der Münchner Philharmoniker versteht es, einmal vulgär wie eine Frühschoppen-Kapelle zu klingen, und im nächsten Moment lässig wie eine Bigband, gegen die Glenn Miller seine eigene sicher gerne eingetauscht hätte. Blechschaden sind immer authentisch, auch weil sie klug genug waren, nicht unter sich zu bleiben, sondern einen Schlagzeuger in ihre Reihen aufzunehmen.
Dirigent (auch den gibt es) Rob Ross schreibt: Blechschaden hat mit seinem Programm zweimal den Echo-Klassik gewonnen unsere Philharmoniker kein einziges Mal.
Johannes Killyen