Armin Klein/Yvonne Pröpstle/ Thomas Schmidt-Ott (Hg.)
Kulturtourismus für alle?
Neue Strategien für einen Wachstumsmarkt
Ursprünglich ging es im Kulturtourismus darum, wie klassische Kultureinrichtungen, also Opernhäuser, Theater, Konzerthäuser oder Museen, Touristen als potenzielle Besucher erreichen und gewinnen. Im Musikbereich folgte
in den vergangenen 30 Jahren die Gründung der großen Klassikfestivals, deren Entwicklung ganz überwiegend auch eine touristische Erfolgsgeschichte ist. Darüber hat sich der Schwerpunkt des Kulturtourismus verlagert: Heute überlegen die Reise- und Freizeitanbieter, welche Kulturangebote sie (auch) entwickeln müssen, um bestimmte Kundengruppen (neu) zu erschließen.
Hieß es beim legendären Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann noch: Kultur für alle, geht es heute um Kulturtourismus für alle, versehen mit einem Fragezeichen. Die drei Herausgeber mit Hintergründen von Lehre und Forschung, Kulturagentur und Kreuzfahrttourismus haben eine interessante Vielfalt von Autoren zusammengebracht, um aktuelle Tendenzen kulturtouristischer Potenziale zu beleuchten. Im ersten Abschnitt geht es um das Kulturerlebnis auf Reisen, welches noch am ehesten dem klassischen Verständnis von Kulturtourismus entspricht. Birgit Mandel beispielsweise sieht die touristischen Kulturbesucher als eine Chance der Öffnung von Kultureinrichtungen für ein sozial diverses Publikum, denn große Teile der Touristen seien Auch- und Zufallskulturtouristen. Hierin liege eine Chance für die Kultureinrichtungen, die es strategisch zu nutzen gelte. Melanie Kölling stellt das Besuchererlebnis in den Mittelpunkt, welches aber gut durchdacht und designt sein will, um glückliche und wiederkehrende Besucher zu schaffen. Armin Klein meint, dass ein wenig mehr Unterhaltung bei der Vermittlung keinen Verrat an Bildung und Kultur darstelle. Die Kulturbetriebe seien gut beraten, sich kreativ und produktiv, aber ohne ihren Bildungsanspruch zu begraben, darauf einzulassen.
Der zweite Abschnitt befasst sich mit Kunst und Kultur auf hoher See, insbesondere also dem immer breiter gefächerten Kulturangebot auf Kreuzfahrtschiffen, entsprechender Marktforschung dazu sowie dem Spezialthema von Eventkreuzfahrten. Im dritten Abschnitt geht es darum, wie Geschichte(n) auch ohne Museum erzählt werden können, beispielsweise in einer bestimmten Region, für Film-Touristen (beliebte Reisen an Original-Drehorte) oder bei Freizeit- und Themenparks. Die letzten beiden Abschnitte behandeln auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittene Hotelkonzepte und die Digitalisierung im Kulturtourismus.
Das lesenswerte Buch gibt zahlreiche Anregungen auch für etablierte Kulturbetriebe, die ihr touristisches Entwicklungspotenzial noch nicht oder erst ansatzweise erschlossen haben. Man kann sich als Verantwortlicher in einem Orchester oder Konzerthaus von den Beiträgen sehr gut inspirieren lassen, touristisches Kulturpublikum jenseits der üblichen regionalen Zielgruppen besser anzusprechen.
Gerald Mertens