Mendelssohn Bartholdy, Felix

Konzertstücke op. 113 und 114

für Klarinette, Bassetthorn (2 Klarinetten) und Klavier, hg. von Frank Heidlberger, mit zusätzlicher, alternativer Klarinettenstimme des Bassetthornparts

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2015
erschienen in: das Orchester 04/2016 , Seite 73

Das Zusammenwirken von Interpret und Komponist hat in der Musikgeschichte häufig zur Entstehung von besonderen Werken geführt. Im Fall der Konzertstücke op. 113 und 114 sind es noch besondere Umstände, die zu diesen launigen und effektvollen Kompositionen geführt haben. Zum Jahresende 1832 trafen sich Felix Mendelssohn Bartholdy, der Klarinettist Heinrich Baermann und sein ebenfalls Klarinette spielender Sohn Carl in Berlin und sie veranstalteten einen kulinarisch-musikalischen Wettbewerb, der darin bestand, dass der in München beheimatete Carl Dampfnudeln und Rahmstrudel – eine Lieblingsspeise des Komponisten – zubereitete und dieser währenddessen mit flinker Feder ein Stück für Vater und Sohn zu komponieren hatte. Zumindest ein Ergebnis hat die Zeit überdauert: das Konzertstück Nr. 1 f-Moll für Klarinette, Bassetthorn und Klavier, das die drei am 5. Januar 1833 erstmals öffentlich präsentierten. Der Komponist ließ sich dann nicht lange bitten und griff noch einmal zur Feder. Das Schwesterwerk op. 114 wurde am 19. Januar 1833 fertiggestellt.
Da Carl Baermann, der die erste Druckausgabe bei André 1869 einrichtete, mit fremden Notentexten meistens sehr freizügig umging – siehe Carl Maria von Webers Klarinettenwerke –, ist es verdienstvoll, dass der Henle-Verlag jetzt die beiden Konzertstücke als Urtext-Ausgabe vorlegt. Hierfür standen die jeweiligen Autografe zur Verfügung: das von op. 113 in etwas flüchtiger Schrift mit einigen Streichungen und Korrekturen sowie nachträglichen Änderungen, bedingt durch die unmittelbaren Aufführungserfahrungen; op. 114 etwas sorgfältiger ohne Zeitdruck ausgeführt und in Abwesenheit der Interpreten geschrieben.
Für op. 113 kommt als Vergleichsquelle die Orchesterfassung hinzu, die Mendelssohn Bartholdy bereits am 6. Januar 1833 erstellt hatte, während die Orchesterfassung für op. 114, wie der Herausgeber Frank Heidlberger vermutet, von dem Fagott spielenden Bruder Heinrichs, der auch Carl heißt, stammt. Die erwähnte Druckausgabe bei André stellt eine Interpretation dar und kann bei der Urtext-Erstellung keine Rolle spielen.
Bei der Texterarbeitung standen Artikulationsfragen im Blickpunkt. Das Manuskript enthielt häufig nur beim ersten Auftreten eines Motivs Artikulationsangaben. Diese wurden dann analog ergänzt, ohne besonders vermerkt zu werden. Interessant sind einige Abweichungen in den Solostimmen der Klavier- und der Orchesterfassung von Mendelssohns Hand in op. 113. Auf Grund der Orchesterpartitur konnten auch einige Artikulationsfragen und Ungenauigkeiten im Klavierpart geklärt werden.
Die Henle-Ausgabe enthält neben der originalen Besetzung mit Klarinette und Bassetthorn eine weitere, neu eingerichtete Stimme für eine zweite Klarinette, die an die Stelle des Bassetthorns treten kann. Die Stimmhefte sind benutzerfreundlich angelegt, da sie in kleinerem Druck auch die komplette Stimme des Duopartners enthalten. Neben einem ausführlichen Vorwort werden im Kritischen Bericht noch Alternativen für die Kadenzen angegeben. Mit dieser Urtext-Ausgabe steht einem fröhlichen Musizieren ohne fremde Zutaten nichts mehr im Wege.
Heribert Haase