Hans Werner Henze
Konzertmusik/Il Vitalino Raddoppiato/Mozartsche Orgelsonaten
Ziyu He (Violine), Mozarteumorchester Salzburg, Ltg. Lin Liao
Hans Werner Henze war ein musikalischer Spieler, was zu seinen Lebzeiten hinter seinem Image als deutscher Kommunist mit italienischer Seele und seinen Leitungstätigkeiten in Montepulciano, München und der Steiermark etwas verborgen blieb. Der italienischen Oper gehörte seine Liebe. Und er begeisterte sich anders als seine Kolleg:innen in Darmstadt und Donaueschingen nicht nur für revolutionäre Extreme der Klangerzeugung, sondern auch für Instrumentalvirtuosen aus Vergangenheit und Gegenwart. Zudem zeigte Henze bei Neuinstrumentationen eine erstaunliche Originalität. So forderte er in seiner Fassung von Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria neben einer barocken Oboe d’amore auch ein Tenorbanjo. Vor diesem Hintergrund – einem weiten Panorama von den Gitarre-Sonaten Royal Winter Music nach altenglischen Kompositionen bis zu Henzes neoklassizistischen Stil-Simulationen in Die englische Katze – gewinnt die hier von der Dirigentin Lin Liao mit Transparenz und Wärme gestaltete Werkauswahl noch höhere Bedeutung, weit hinaus über regionale Verbundenheit.
Wenn das Mozarteumorchester im dritten der sechs geplanten Alben hier nach Mozart selbst und dem zum Teil überaus mozartaffinen Richard Strauss sich Henze widmet, ist das nur folgerichtig. Denn aufgrund seines Status als spezifisches Mozart-Orchester und seiner ständigen Konkurrenzsituation zu den in Salzburg präsenten Weltspitzen lässt sich bei diesem Klangkörper lückenlos beobachten – vom bahnbrechenden Zyklus der frühen Mozart-Opern unter Leopold Hager bis heute –, wie Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis orchestrale Musizierhaltungen verändern. Il Vitalino Raddoppiato für Violine und Orchester entstand 1977. Henze erweiterte eine wahrscheinlich vom Geiger Tomaso Antonio Vitali komponierte Chaconne um eigene Variationen. Seine Instrumentierung von Mozarts Kirchensonaten zu dessen 200. Todestag 1991 für das Scharoun Ensemble betitelte Henze Drei Mozart’sche Orgelsonaten für 14 Spieler.
Mit der Einspielung der Konzertmusik für Violine und kleines Kammerorchester (1943) feiern das Mozarteumorchester und der junge Geiger Ziyu He auch eigene Bemühungen um das Werk des hesters, entdeckt. Aufgrund der durch die Pandemie verhinderten posthumen Uraufführung bei den Salzburger Osterfestspielen 2020 gelangte die Konzertmusik erst im November 2022 im Orchesterhaus des Mozarteumorchesters zur Aufführung. Davor erklang sie bereits am 18. Januar 2022 bei einem Konzert der Clara-Schumann-Philharmoniker Plauen-Zwickau im Ballhaus Neue Welt. Dieser knapp verlorene Wettlauf um die Uraufführung schmälert den hohen Rang dieses Albums des Mozarteumorchesters und seiner gewinnenden Gesamtleistung nicht.
Roland Dippel