Paganini, Nicoló

Konzerte für Violine und Orchester Nr. 2 h-Moll / Nr. 4 d-Moll

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hera 02115
erschienen in: das Orchester 02/2005 , Seite 82

Paganini-Werke sollte (öffentlich) nur spielen, wer wirklich ein geigender Hexenmeister ist. Natürlich kann man aus Paganini in musikalischer Hinsicht nicht mehr herausholen als darin ist – aber seine unmenschlichen technischen Hürden müssen mit Bravour genommen werden, sonst klingen sie gequält, angestrengt, schwer. Keine neue Erkenntnis. Umso erstaunlicher, dass Michael Jelden eine Einspielung vorlegt, die dem internationalen Vergleich nicht standzuhalten vermag. Man denke nur an Menuhin im Jahr 1961, als auch er schon nicht mehr das technisch fehllose Wunderkind war.
„In Jeldens Geigenspiel verbinden sich Virtuosität, Impulsivität, Sensibilität, überschäumendes Temperament und Poesie mit technischer Perfektion.“ Eine gewagte Aussage, noch dazu im Booklet, dessen Funktion doch wohl auf informierender, nicht auf wertender Ebene liegen sollte. Auch die Internetseiten von und über Michael Jelden stellen eine Sammlung von Superlativen dar, die sich in der vorliegenden Aufnahme des Hera-Labels leider nicht widerspiegeln. Dass Jelden studierter Linguist ist und 15 Sprachen spricht, ist bewundernswert, wirkt sich aber auf die nach stetem Bemühen klingende Interpretation nicht unmittelbar aus. Mag sein, dass Jelden, der unter anderem Schüler von Odnosopow war, seine zweijährige Erfahrung als Primus einer Zigeunerkapelle bei Werken von Hubay oder Sarasate zugute kommt – Paganinis Kompositionen jedoch sind eher weniger zigeunerhaft, sondern eben (zumindest in den Ecksätzen) nur virtuos und unangenehm. Selbst der Triangel-Satz im streckenweise plakativen vierten Konzert wirkt zwar lebendig, es mangelt indes auch hier etwas an Leichtigkeit.
Die 1992 aus den Orchestern Reichenbach und Greiz fusionierte Vogtland-Philharmonie unter ihrem auch als Leiter des Essener Folkwang-Kammerorchesters bekannten Chefdirigenten und Intendanten Stefan Fraas begleitet solide, wenngleich mit intonatorischen Schwächen in der Höhe, etwas nüchtern und ohne besonderes klangliches Eigenleben, was durch die trotz natürlicher Konzertsaal-Atmosphäre hallige Akustik zusätzlich ungünstig beeinflusst wird.
Das große Verdienst von Michael Jelden und damit der Repertoirewert dieser CD besteht in der
Ersteinspielung des „neuen“ Adagios im h-Moll-Konzert: Vom Komponisten ursprünglich als zweiter Satz dieser „Campanella“ vorgesehen, als Handschrift mit Solostimme und Harmonieangaben in einer römischen Bibliothek gefunden, von Jelden nach akribischer und fundierter musikwissenschaftlicher Analyse – die sich gleichfalls in der insgesamt intelligenten Strukturierung der Werke und in der differenzierten Ausgestaltung von Dynamik und Artikulation zeigt –schön und stilvoll orchestriert und als inniger Dialog mit dem Ensemble gespielt.
Carola Kessler

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