Schnittke, Alfred

Konzert Nr. 3

für Violine und Kammerorchester (1978), Klavierauszug

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2004
erschienen in: das Orchester 03/2005 , Seite 77

„Dieses Werk war ursprünglich für ein Programm vorgesehen, in dem noch Hindemiths Klavierkonzert und Bergs Kammerkonzert gespielt werden sollten. Das bestimmte die Orchesterbesetzung meines Stückes, welches die Besetzungen der beiden oben genannten Werke summiert.“ So beginnt Alfred Schnittke sein höchst informatives Vorwort zu seinem Konzert Nr. 3. Der Komponist löste das beschriebene Problem, indem er die Streicher bis zum dritten Satz aussparte, wo sie zum ersten Mal einsetzen und gegen Ende des Werks den Bläserklang verdrängen.
Weiter schreibt er über die Einflüsse der russisch-orthodoxen Kirchenmusik und der deutschen Romantik, die in das Werk Eingang gefunden hätten. „Und natürlich kommt auch das atonale Idiom der chromatischen Intervallik dazu, das manchmal zu Zwölftonthemen führt, aber nie zu Zwölftonreihen.“
Eine Anmerkung des Komponisten – „Der Solopart stellt keine virtuosen Ansprüche an den Solisten und ist überwiegend melodisch konzipiert“ – muss ich leise ergänzen: So einfach ist das Werk trotzdem nicht. Trillerketten, Sprünge, Akkord- und Doppelgriffpassagen erfordern eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der Materie des Soloparts. Ansonsten zeigt dieses Violinkonzert den typischen Schnittke, den man kennt.
Vieles klingt nach Zitat, vor allem nach Selbstzitat. Wie immer rätselt man: Woher kenn’ ich das nur? Aus der 4. oder der 6. Sinfonie oder doch aus dem Streichtrio? Die Versatzstücke der kompositorischen Arbeit sind also weitestgehend „alte Bekannte“. Und natürlich wäre Schnittke nicht Schnittke, gelänge es dem genialen Komponisten nicht, genau mit diesem „abgegriffenen“ Tonmaterial ein originelles, spannungsreiches und eindrucksvolles Kunstwerk zu erschaffen.
Ist es vermessen, wenn mir scheinen will, als sei dieses dritte Violinkonzert trotzdem eine Spur „grauer“ geraten als etwa das dramatischere vierte, als die 4. Sinfonie, die beiden ersten Violinsonaten, die Concerti grossi I und II, das erschütternde Streichtrio? Ich gestehe, so ganz bin ich auch bei diesem, meinem zweiten Anlauf mit dem Werk noch nicht warm geworden. Vielleicht beim nächsten?
Die vorliegende Neuausgabe ist wichtig, notwendig, verdienstvoll, der Klavierauszug pianistisch sehr professionell erstellt, die Wendestellen des Violinparts durchdacht, das Druckbild ausgesprochen angenehm. Nur: Warum fehlen alle Angaben über das Werk im Allgemeinen, seine Uraufführung, über Besetzung, Dauer (ca. 25 Min.), im Klavierauszug Hinweise auf die originale Instrumentierung wichtiger Passagen, im Solopart wichtige Angaben wie etwa, bis zu welchem Takt genau die Trillerpassage der Solovioline am Beginn sul G zu spielen ist (Takt 37?)?
Herwig Zack