Miehling, Klaus
Konzert in g für Barockfagott, barockes Streichorchester und Basso continuo op. 168 (2009)
Partitur/Solo-Fagott/Streicherstimmen
Das Komponieren im alten Stil, die Auseinandersetzung mit den musikalischen Mitteln der Vergangenheit, hat eine lange Tradition. Die Beweggründe für diese kreativen Zeitreisen waren und sind höchst unterschiedlich, doch im Vorwort zu seiner Partitur bringt Klaus Miehling einen neuen Aspekt ins Spiel es sind seine Vorbehalte gegen die Neue Musik, das heißt die Musik der vergangenen hundert Jahre: Gebraucht wird sie nicht, geliebt ebenso wenig. Hier ist nicht der geeignete Ort, diesen pointierten Standpunkt zu diskutieren, doch soll der Versuch unternommen werden, der vom Komponisten gestellten Frage: Kommt es nicht auf das Werk selbst an und wie es auf den Hörer wirkt? am konkreten Beispiel ernsthaft nachzugehen.
Das Konzert folgt in seiner Anlage dem dreisätzigen Typus, wie er sich im frühen 18. Jahrhundert von Italien aus verbreitete. Ein historisches Instrumentarium, wie es der Werktitel zunächst vermuten lässt, ist nicht erforderlich. Ein ausgesetzter Generalbass zeigt, dass der Komponist sich nicht nur an Spezialisten wendet. Der sorgfältig notierten Bezifferung werden merkwürdigerweise an einigen Stellen Pausen für die rechte Hand zugeordnet, auch sind nicht alle Akkorde vollständig ausgeführt. Gelegentliche Verstöße gegen klassische Stimmführungsregeln bleiben im Hintergrund des klanglichen Geschehens, und so lässt sich nicht entscheiden, ob hier Absicht oder Zufall vorliegen.
Ein achttaktiges Ritornell stellt das thematische Material des ersten Satzes vor, wobei die bewegte Bassstimme das Thema des Solisten vorwegnimmt. Wenige kleingliedrige Motive beherrschen den gesamten Satz, sie werden wiederholt und sequenziert, wobei sie meist sehr traditionellen Mustern folgen, was einige überraschende Akkordfolgen auf engstem Raum umso deutlicher hervortreten lässt. Abgesehen von gelegentlichen Imitationen sowie einem dreitaktigen Kanon zwischen Fagott und Bratsche ergibt der Streichersatz das Bild eines instrumentierten Generalbasses.
Der zweite Satz, eine Marcia funèbre, ist vom ersten bis zum letzten Takt geprägt durch ein einziges rhythmisches Motiv. Über diesem Gerüst entfaltet das Fagott eine schlichte Melodik, deren unterschiedlich lange Phrasen einen gewissen Kontrast zur Monotonie des Streichersatzes bilden. In allen Stimmen dominieren die dunklen Klangfarben, das Fagott wird bis zum Kontra-B geführt. Der letzte Satz, ein Fugato, wird durch ein viertaktiges Thema eröffnet, dessen sich kein Barockmeister schämen müsste. Die allzu regelmäßige Anlage der Exposition hat dann aber eher den Charakter einer Tonsatzübung. In den Zwischenspielen wird dann wieder intensiv sequenziert nach Mustern, die schon aus dem ersten Satz bekannt sind. Überraschende Zwischendominanten dienen dazu, bestimmte Zieltonarten auf schnellstem Weg zu erreichen. Ein Ansatz zu einem dreistimmigen Kanon bleibt nach wenigen Takten stecken. Eine kleine Stretta bringt es dann noch einmal auf den Punkt: ein munteres Auf und Ab in einer sehr eng begrenzten musikalischen Welt.
Jürgen Hinz