Glazunov, Alexander

Konzert in Es op. 109

für Alt-Saxophon und Streichorchester, hg. von Regina Back und Douglas Woodfull-Harris, Partitur/Klavierauszug

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2010
erschienen in: das Orchester 06/2011 , Seite 70

Schon vor einigen Jahren hörte ich von dem Gerücht, es erschiene bald eine Neuausgabe des Konzerts für Altsaxofon und Orchester von Alexander Glazunov. Beim Bärenreiter-Verlag wurden nun ein Klavierauszug, eine Partitur und Aufführungsmaterialien dieses Werks veröffentlicht. Als Quellen für die neue Urtextausgabe mit kritischem Werkkommentar und Einführung dienten neben der Erstausgabe von Leduc mehrere handschriftliche Autografen des Komponisten.
Worin unterscheidet sich nun die Neuausgabe von der älteren Fassung? Die Partitur und das neu erstellte Orchestermaterial entsprechen weitestgehend dem alten Druck, nur vereinzelt finden sich veränderte Ar­tikulations- und Dynamikangaben. Im Klavierauszug wurden an einigen Stellen Akkorde und Stimmen gekürzt. Die vorgenommen Eingriffe sind jedoch moderat und machen den Klavierauszug insgesamt etwas leichter spielbar. Die deutlichsten Unterschiede finden sich in der Saxofonstimme. Sie liegt der Ausgabe in zwei Versionen bei: als Urtetxtausgabe und als von Carina Raschèr eingerichtete Stimme. Dabei finden sich nicht nur in der eingerichteten Stimme, sondern auch in der Urtextausgabe im Vergleich mit der bekannten Leduc-Ausgabe eine Reihe von Unterschieden. Diese betreffen insbesondere die eingezeichnete Artikulation sowie die Kadenz, die in drei verschiedenen Versionen aufgenommen wurde. Neben der bekannten erweiterten Kadenz von Glazunov selbst findet sich eine frühere, etwas kürzere Version sowie eine von Sigurd Raschèr stammende, von Glazunov autorisierte Fassung.
Durchaus nicht üblich bei Werken für Saxofon ist der vorzügliche Werkkommentar, in dem alle Abweichungen zwischen den vorhandenen Quellen minutiös aufgelistet wurden. Es wäre wünschenswert, wenn sich Ähnliches bei allen Neuausgaben des klassischen Saxofonrepertoires etablieren würde. Hinsichtlich Druck und Einrichtung der Stimmen findet sich die gewohnte Qualität von Bärenreiter. Einzig scheint mir in der Saxofonstimme die Seiteneinteilung nicht durchgehend optimal gelöst zu sein. Formale Zusammenhänge sind anders als in der alten Fassung teilweise zerrissen. So befindet sich etwa der erste Satz (bis Ziffer 9) nun auf zwei Seiten, und auch vor der an die Kadenz direkt anschließenden Ziffer 22 muss jetzt geblättert werden.
Insgesamt wirkt die neue Urtextausgabe von Bärenreiter sehr gelungen. Wer um die bis heute andauernden Divergenzen zwischen den sich auf Sigurd Raschèr und Marcel Mule beziehenden Saxofon-Traditionen weiß, fragt sich allerdings, ob der Verlag gut daran getan hat, eine von Carina Raschèr eingerichtete Stimme beizulegen. So hilfreich und interessant dies sein kann, so einseitig spiegelt sie die Interpretationstradition der Raschèr-Schule wider. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn man auch die französische Tradition entsprechend berücksichtigt hätte.
Martin Losert