Lalo, Edouard

Konzert in d für Violoncello und Orchester

Partitur/Klavierauszug, Urtext

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2006
erschienen in: das Orchester 09/2007 , Seite 81

Es gibt Komponisten, deren Namen man sofort mit einem bestimmten Werk verbindet. Obwohl Édouard Lalos Symphonie espagnole und sein Violinkonzert in F-Dur durchaus eine gewisse Bekanntheit ereichten, denkt man beim französischen Komponisten vor allem an sein 1877 komponiertes Violoncellokonzert in d-Moll. Das dreisätzige Werk hält sich neben Standardkonzerten von Dvor?ák, Elgar und Saint-Saëns auch heute noch mühelos im Repertoire. Bislang mussten die Cellisten dabei immer auf bearbeitete Fassungen der Partitur zurückgreifen. Die bekannteste Version hat Julius Klengel für die Edition Peters herausgegeben, andere Fassungen stammen von Pierre Fournier (Durand), Arnold Trowell (Augener), Otto Deri (Schirmer), Willem Willeke (Fischer) und Leonard Rose (International).
Jetzt hat der Bärenreiter Verlag in seiner Urtext-Reihe eine neue Ausgabe ediert (herausgegeben von Hugh Macdonald), die im Vorwort „Lalos eigene Bogensetzung und Artikulation“ verspricht. Die Quellenlage ist recht kompliziert. Da die handschriftliche Orchesterpartitur verschollen ist, greift der Herausgeber für die Urtextausgabe auf den im Berliner Verlag Bote & Bock erschienenen Erstdruck der Partitur und den autografen Klavierauszug zurück, der allerdings nach der Uraufführung des Konzerts am 9. Dezember 1877 durch den belgischen Cellisten Adolphe Fischer immer wieder von Lalo bearbeitet wurde. Es ist durchaus anzunehmen, dass er dies in enger Zusammenarbeit mit Adolphe Fischer oder einem anderen Cellisten tat.
Lalo hatte zwar als Kind ein wenig Cello spielen gelernt, aber seine technischen Kenntnisse reichten nicht dafür aus, um die cellospezifischen Fragen alleine und unbeeinflusst zu beantworten. In dieser Hinsicht ist wahrscheinlich auch die Bärenreiter Urtext-Ausgabe bereits eine bearbeitete Version. Vergleicht man sie mit der Fassung von Julius Klengel in der Edition Peters, so fällt auf, dass die Unterschiede gar nicht so gewaltig ausfallen. Neben wenigen substanziellen Veränderungen wie einer anderen Führung der Cellolinie (beispielsweise im Takt 219 des ersten Satzes) findet man vor allem kleinere Unterschiede in der Artikulation. Dynamik- und Tempovorgaben bleiben dagegen weitgehend gleich.
Lalos Originalausgabe verwendet meistens längere Legatobögen und weniger Akzente. Um ein Beispiel herauszugreifen: Vor den großen Orchestereinsätzen im Kopfsatz wie bei più lento (T. 117) schreibt Lalo normale Legatobögen. Die hinzugefügten Akzente, die in der Klengel-Ausgabe zu finden sind, verführen die meisten Cellisten zu einem großen Rubato, was jedoch offensichtlich nicht der Intention des Komponisten entspricht. Hier können durch die Urtextausgabe, die durch ein klares Schriftbild, durchgehende Taktzählung und eine geschickte Anordnung der Cellostimme gekennzeichnet ist, wirklich neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Georg Rudiger