Elgar, Edward

Konzert für Violoncello und Orchester in e-Moll op. 85

Faksimile der autographen Partitur im Royal College of Music London MS 402, zweisprachige Ausgabe (englisch/deutsch), Documenta Musicologica II/36, Einführung von Jonathan Del Mar

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2007
erschienen in: das Orchester 11/2007 , Seite 86

Das vorliegende Faksimile krönt eine editorische Großtat: die Veröffentlichung einer kommentierten, quellenkritischen Urtextausgabe des Cellokonzerts von Edward Elgar, eines Werks, das zum cellistischen Kernrepertoire zählt und gern als Abgesang sowohl auf die viktorianische Epoche des britischen Empire als auch auf die Glanzzeit romantischen Cellospiels generell interpretiert wird. Jonathan Del Mar, Herausgeber des 2005 erschienenen, aus Partitur, Cello-Klavier-Arrangement und Kritischem Bericht bestehenden Bärenreiter-Konvoluts (vgl. Das Orchester 5/06, S. 79), zeichnet auch verantwortlich für diese Faksimile-Edition.
In seinem überaus lesenswerten Vorwort lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass sich das 1919 vollendete, vermeintlich herbstlich gestimmte Werk in formaler Hinsicht wie auch mit Blick auf die stets heikle Balance zwischen „kleinem“ Cello und großem Orchester durchaus unkonventionell präsentiert. Anders als in seinem dreisätzigen, nach traditionellen Vorbildern geformten Violinkonzert fügt Elgar hier vier Sätze zu zwei durchkomponierten Blöcken zusammen, wobei eine Rezitativ-Passage als formale Klammer fungiert: Sie steht am Anfang und am Ende des Werks und bildet, in modifizierten Formen, jeweils Überleitungen zwischen den einzelnen Sätzen. Als „Wunder“ bezeichnet der Herausgeber zu Recht die Tatsache, dass es Elgar – ansonsten nicht eben für ökonomieorientiertes Orchestrieren berühmt – gelang, ein Konzert zu schreiben, in dem das Cello nahezu permanent im Einsatz und währenddessen immer problemlos vernehmbar ist.
Eindrücke von Transparenz und Leichtigkeit stellen sich spontan beim Anblick des autografen Notenbildes ein. Dem Soloinstrument ist großer Entfaltungsspielraum gegeben, Trompeten und Posaunen (die durchaus nicht fehlen!) werden sparsamst eingesetzt. Mit Hilfe der editorischen Anmerkungen Del Mars können wir anhand des Faksimiles den Schaffensprozess sehr genau nachvollziehen: Elgar schrieb den eigentlichen Notentext in blauschwarzer Tinte. Ergänzungen und Korrekturen, die teilweise auf Rückfragen seines Verlegers Novello zurückgingen, wurden durch Verwendung unterschiedlicher Farben kenntlich gemacht. Darüber hinaus hat Elgar mit Bleistift letzte Anmerkungen sowie Erkenntnisse aus den ersten Aufführungen und der Grammophon-Aufnahme mit Beatrice Harrison bis unmittelbar vor Drucklegung in die Partitur eingetragen. Einiges fand Berücksichtigung, anderes nicht, woraus sich Unstimmigkeiten zwischen den Erstdruckversionen der Partitur, der Solostimme und des Orchestermaterials ergaben. Diese zu bereinigen war Hauptmotivation der Bärenreiter’schen Aktivitäten jüngster Zeit, einer glänzend gelungenen Editionsarbeit. Wer sich auf dieser Basis detailliert mit Elgars Meisterwerk beschäftigen möchte, dem sei, trotz des stattlichen Preises, der hier veröffentlichte, liebevoll gestaltete Faksimile-Band als Ergänzung wärmstens empfohlen.
Gerhard Anders