Brahms, Johannes

Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll / Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102

Rubrik: CDs
Verlag/Label: ebs 6147, 2 SACDs
erschienen in: das Orchester 06/2005 , Seite 77

Im Sommer des Jahres 1887 konnte Johannes Brahms den „Einfällen zu einem Konzert für Violine und Violoncello nicht widerstehen“, so sehr er es sich „auch immer wieder auszureden versuchte“. So ließ er es den Freund und Geiger Joseph Joachim am 24. Juli dieses Jahres in einem Brief wissen. Die Rede ist von Brahms’ Doppelkonzert in a-Moll op. 102, das am 18. Oktober mit dem Kölner Gürzenichorchester, Joseph Joachim als Violinsolisten und Robert Hausmann am Violoncello in der Domstadt uraufgeführt wurde.
Drei Jahre zuvor hatte Hausmann den Komponisten schon einmal vergeblich um ein Konzertstück für Violoncello gebeten; mit dem Doppelkonzert sollte er sich entschädigt fühlen und Brahms’ „guten Willen anerkennen“, wie es ihm dieser über Joachim hatte ausrichten lassen. Cord Garben, unter anderem lange Jahre Produzent bei der Deutschen Grammophon, hat das ungeschrieben gebliebene Cellokonzert nicht ruhen lassen. Nicht zuletzt auch angesichts der unverhüllten Kritik, die so mancher von Brahms’ Freunden an der unüblichen Kombination der beiden Soloinstrumente Violine und Violoncello festmachte, hat Garben im Jahr 2001 den Versuch unternommen, Brahms’ Doppelkonzert auf das Violoncello als alleiniges Soloinstrument zurückzuführen. Dabei ließ sich der Solopart der Violine verständlicherweise nicht allein dem Cello anvertrauen. Vielmehr haben auch die Holzbläser und die Hörner, die Tuttistreicher und bisweilen auch die aus dem Orchestertutti hervortretende solistische Violine Passagen des ursprünglichen Soloparts auferlegt bekommen.
Nun ist Garbens Celloversion des brahmsschen a-Moll-Konzerts mit dem Cellisten Julius Berger und der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Johannes Wildner auf SACD eingespielt worden. Die Aufnahme kann allerdings nicht so recht überzeugen. Garbens Eingriffe in die Partitur werten, wie oben ausgeführt, so manchen Orchesterpart mitunter gehörig auf, und Garben verschiebt damit zwangsläufig die Gewichtung der musikalischen Inhalte, was mitunter selbst die formale Struktur aus dem Lot bringt. Und die Anforderungen, die Garben jetzt an die Orchestermusiker stellt, sind hoch. Nicht immer will da jede Wendung und jede Phrase in der erforderlichen mühelosen Geschmeidigkeit und mit der nötigen Intensität gelingen, und auch ansonsten hat man es im Orchester an der rechten Inspiration, die Ausdruck und Gestus zu beflügeln oder auch zu beseelen weiß, gelegentlich ein wenig fehlen lassen.
Und selbst ein so versierter Cellist wie Julius Berger kann nicht verbergen, dass das Mehr an solistischer Präsenz seinen entsprechenden Preis fordert. Dabei fallen weniger gewisse tonliche Schwächen ins Gewicht als manche Defizite hinsichtlich der Präzision und der Plastizität.
Weitaus entspannter und ungezwungener präsentieren sich Berger und seine Solopartnerin Ursula Schoch (Violine) jedenfalls in der auf der zweiten SACD festgehaltenen (und ein halbes Jahr nach der Celloversion produzierten) Originalfassung des brahmsschen a-Moll-Konzerts. Vital, spielfreudig und tonlich geschliffen verschränken sich die beiden Soloparts ineinander. Auch die Neue Philharmonie Westfalen erweist sich hier unter Johannes Wildners Führung um einiges motivierter, entwickelt Zugkraft und zeigt eine markige, leuchtende Prägnanz in der Zeichnung der Charaktere.
Thomas Bopp

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support