Graun, Johann Gottlieb

Konzert für Violine, Viola und Orchester

Klavierauszug/Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Güntersberg, Heidelberg 2006
erschienen in: das Orchester 05/2007 , Seite 78

Selbst unter den kunstsinnigen Royalties dürfte es kaum einen zweiten gegeben haben, der mit solcher Treffsicherheit tüchtige, bisweilen geniale Musiker um sich zu scharen verstand wie Preußenkönig Friedrich II. Wir sind geneigt, ihm den Ehrentitel „der Große“ posthum insbesondere für diese Leistung zuzuerkennen, wobei übrigens viele Musiker bereits in die Dienste des Noch-Kronprinzen Friedrich traten und mit ihm anlässlich sei-ner Thronbesteigung 1740 von Rheinsberg nach Potsdam übersiedelten.
Neben Carl Philipp Emmanuel Bach, Quantz, Agricola, den Brüdern Benda – um nur ein wenig „name dropping“ zu betreiben – waren über viele Jahre die Gebrüder Graun in herausgehobenen Positionen der friderizianischen Hofmusik tätig: Der jüngere Carl Heinrich wirkte als Kapellmeister, der ältere Johann Gottlieb hatte die Position eines Konzertmeisters inne und konnte als Hauptverantwortlicher für die Orchestererziehung auf seine prägende Lehrzeit in Dresden bei dem berühmten Geiger Pisendel zurückgreifen. So kommt es nicht von ungefähr, dass der Komponist Johann Gottlieb Graun in erster Linie mit Instrumentalwerken hervorgetreten ist, darunter zahlreichen Solokonzerten für Violine sowie Doppel- und Gruppenkonzerten.
Dies und vieles Wissenswerte mehr entnehmen wir den Anmerkungen von Michael O’Loghlin, der für vorliegende Edition von Grauns c-Moll-Konzert für Violine und Viola – eine Instrumenten-Paarung, die insbesondere dank der Mozart’schen Concertante KV 364 Berühmtheit erlangt hat – verantwortlich zeichnet. O’Loghlin gehört zum ambitionierten Mitarbeiterstab der Heidelberger Edition Güntersberg, eines auf Consort- und solistische Musik für Viola da Gamba spezialisierten Verlags, der das Graun’sche Doppelkonzert vor allem deshalb ins Programm genommen hat, weil von diesem Werk weitere Quellen existieren, in denen der Bratschen-Part einer Viola da Gamba anvertraut ist. In enzyklopädischer Gründlichkeit hat Edition Güntersberg sowohl die Bratschen- als auch die Gambenversion mustergültig ediert. Von beiden Fassungen liegen nun zuverlässige Partituren, Klavierauszüge und Stimmen vor.
Aufhorchen lässt das technisch wie musikalisch anspruchsvolle Werk schon aufgrund seiner Präferenz der Molltonarten – auch der g-Moll-Mittelsatz bringt in diesem Punkt keine Aufhellung –, wobei dies in der empfindsamen Musik norddeutscher Prägung zweifellos geringeren Seltenheitswert besaß als in der Wiener Klassik. Beiden Soloparts ist die „geigende Hand“ des Komponisten anzumerken und neben Behändigkeit in allerlei schnellem Figurenwerk wird den Spielern vor allem Einfühlungsvermögen in den affektreichen Stil der Berliner Schule abverlangt.
Keinen ernstlichen Wermutstropfen, doch Anlass für einen kleinen rezensorischen Stich stellt jene biedermeierlich anmutende Hausmusikszene dar, die Vorder- und Rückseite der ansonsten akribisch gestalteten Bände ziert. Hier scheinen Graun und der „Alte Fritz“ meilenweit entfernt…
Gerhard Anders