Paganini, Niccolò

Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 6/Caprices für Violine op. 1

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Antes Edition BM319287
erschienen in: das Orchester 10/2013 , Seite 73

Wie hört man heute CDs? Oft im Auto, oft auch nebenbei im Wohnzimmer. Für diese Hörsituationen ist Maria Solozobovas CD zum 230. Geburtstag von Paganini wunderbar geeignet. Sie könnte auch bestens das Publikum bei einem der vielen sommerlichen Klassik-Open-Airs mit ihrer stupenden Virtuosität begeistern.
Maria Solozobova hat einen großen, zupackenden Ton, eine enorme Geläufigkeit und eine erstaunliche Fingerbeherrschung, was sich insbesondere in Nel cor più non mi sento zeigt, wo gleichzeitig Pizzicato und eine mit dem Bogen gestrichene Melodie erklingen. In Paganinis D-Dur-Konzert beherrscht sie die große Solistengeste ebenso wie die lyrisch-introvertierten Emotionen. Die Absolventin des Moskauer Tschaikowsky-Konservatoriums und Meisterschülerin von Zakhar Bron besitzt ein enormes solistisches Potenzial.
Doch hört man diese CD konzentriert und genau, gar die Noten mitlesend, hat man das Gefühl, dass diese Paganini-Einspielung zwar ein Dokument hohen geigerischen Vermögens ist, aber weder in sich stimmig wirkt noch irgendetwas zu Gehör bringt, was wir so noch nicht in Paganinis Musik entdeckt haben. Maria Solozobova spielt die Forte-Passagen so, als ob sie Tschaikowsky oder ein anderes Werk der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts aufführen würde. Dadurch entgehen ihr Nuancen, fehlt im Detail oft die Pointe, die gerade Paganinis Virtuosität ausmacht. Bei den technisch sehr anspruchsvollen Passagen steht das „Material“ zu sehr im Vordergrund. Doch Virtuosität bei Paganini bedeutet ja gerade, dass das Schwierige leicht wirkt. Gewiss ist der 1. Satz des D-Dur-Konzerts ein Maestoso, aber es muss ja nicht wie falsch verstandene Musik von Richard Wagner klingen. Das Adagio muss nicht an Tschaikowsky erinnern. Am besten ist noch das Rondo gelungen: Hier zeigt die Solistin eine exzellente Bogenbeherrschung. Allerdings inspiriert das Cape Philharmonic Orchestra die Solistin nicht zu Höhenflügen musikalischen Esprits. Es ist ordentlich, aber kein Paganini-Glücksfall, spielt zu großflächig, mit zu wenig italienischem Klang.
Nach dem D-Dur-Konzert folgen die Caprices Nr. 1 und 2 für Violine solo. Maria Solozobova zeigt, dass sie diese verteufelt schwierigen Stücke spielen kann, aber sie gestaltet sie nicht zu einer besonderen Interpretation. Am besten wirken die Variationen Paganinis über Paisiellos Nel cor più non mi sento. Hier gelingen ihr Kostproben einer Virtuosität, die nicht allein technisch verstanden ist, sondern den Witz, die Dämonie und rattenfängerische Violinkunst Paganinis aufleben lassen.
Maria Solozobova kann Paganini spielen. Aber sie ist noch auf der Suche nach einem eigenen Zugang und sie ist noch jung genug, um ihn zu finden.
Franzpeter Messmer