Schumann, Robert
Konzert für Violine und Orchester d-Moll WoO 1
Ausgabe für Violine und Klavier vom Komponisten/Partitur
Robert Schumanns Violinkonzert ist ein ganz eigenes Werk, dem Joseph Joachim wie Clara Schumann lange Zeit zwiespältig gegenüberstanden; aus diesem Grund erschien die Partitur erst 1937, mehr als achtzig Jahre nach Schumanns Tod, und auch dann entgegen dem erklärten Willen seiner Tochter Eugenie. Doch seit seiner Wiederbelebung 1937, vor allem aber seit der Neubewertung von Schumanns Spätschaffen seit Beginn der 1980er Jahre hat das Werk seinen Weg ins Konzertleben und in das Repertoire herausragender Interpreten gefunden.
Es ist schön zu sehen, dass nun durch Christian Rudolf Riedel eine neue Ausgabe vorgelegt wird, die nicht nur die komplexe Werküberlieferung spiegelt (wenngleich mit der Wiedergabe eines Schreibens Joachims an zu prominenter Stelle, Partitur S. X, durch das ein falscher Eindruck entstehen könnte), sondern auch sonst mit allerhand Fehlurteilen aufräumt. Beispielsweise hatten die Editoren der alten Ausgabe bei Schott verändernde Eingriffe vorgenommen, die erst jetzt in ihrer Gänze wieder rückgängig gemacht werden. Auch von Schumann korrigierte Orchesterstimmen haben sich in der Berliner Staatsbibliothek erhalten, was zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringt und deutlich macht, dass, wäre Schumann weiter arbeitsfähig gewesen, das Werk wahrscheinlich durch Joachim, der auch Korrekturvorschläge beisteuerte, uraufgeführt worden wäre. Die Neuausgabe ist sorgsam und gut lesbar, in manchen Punkten aber durchaus diskussionswürdig (etwa ist mir die Weglassung eines ^ im I. Satz in der Flöte nicht genügend kommentiert dies ist einer jener Fälle, wo das Stimmenmaterial von der Partitur abweicht).
Die Solostimme hat Thomas Zehetmair eingerichtet, der sich für seine Einspielung unter der Leitung Christoph Eschenbachs 1988 intensiv mit den Quellen befasst hatte. Hatte Joseph Joachim den Solopart noch unbequem gefunden, ist er für an Musik des 20. und 21. Jahrhunderts geschulte Musiker kein Schrecknis mehr. Dem Solopart liegt ein Blatt mit alternativen Lesarten bei in Fällen, in denen die Quellen unterschiedliche Möglichkeiten bieten: Ihre Auswahl erfolgte unter musikalisch-praktischen Aspekten. Über Details informiert der Kritische Bericht, lautet der Kommentar. Nun scheint eine solche Handreichung alles andere als wissenschaftlich-kritisch, doch möchte die vorliegende Ausgabe vornehmlich auch eine praktische sein. In vielen Stellen ist sie jedoch eher eine unpraktische Ausgabe: Wenn in Partitur und Klavierauszug (nach Schumanns eigenem Auszug, der hier erstmals veröffentlicht wird) auf den Kritischen Bericht verwiesen wird, wäre die Angabe der entsprechenden Seitenzahl zum schnelleren Auffinden doch hilfreich gewesen.
Es sei gehofft, dass die Edition auch in der Praxis genutzt werden wird; erfahrungsgemäß scheuen sich Interpreten und Orchester oft, neue Aufführungsmaterialien anzuschaffen. Zur Einstudierung wird der Klavierauszug äußerst nützlich sein und jene anonym von Paul Hindemith erstellte Fassung von 1937 ablösen.
Jürgen Schaarwächter