Schmidt-Kowalski, Thomas

Konzert für Klavier und Orchester in g-Moll/Konzert für Viola und Orchester in fis-Moll/Symphonische Phantasie für großes Orchester über “Das Lied von der Glocke”

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Querstand VKJK 1005
erschienen in: das Orchester 09/2011 , Seite 79

Der deutsche Komponist Thomas Schmidt-Kowalski, Jahrgang 1949, hat sich ganz seiner Idee der Romantik verschrieben. Nach kurzer Berührung mit der Ästhetik der experimentellen Avantgarde des 20. Jahrhunderts zu Studienzeiten entwickelte er einen tonalen Stil, der sich fast ungebrochen an der musikalischen Sprache des 19. Jahrhunderts orientiert. Mit seiner Werkliste ist er inzwischen über op. 100 hinaus und seinem Vorsatz treu geblieben. Auch die vorliegende Aufnahme stellt drei seiner in traditionelle musiksprachliche Schablonen gegossenen Werke vor. Seine Musik bewegt sich mit hemmungslos pathetischem Gestus und Anleihen bei Romantikern irgendwo zwischen Schumann, Tschaikowsky und Chopin und scheint persönlichen Ausdruck konsequent vermeiden zu wollen. Eine Parallele könnte man zu manipulativer Gebrauchsmusik ziehen, wie man sie etwa aus Filmvertonungen kennt, in denen Musik wie als Reminiszenz illustrativ und oft zitathaft auf den Punkt kommen muss, ohne dabei eine individuelle Ausdruckskraft zu erreichen.
Sein Klavierkonzert g-Moll op. 108 gestaltet der Komponist bewusst nicht als Virtuosenkonzert, stattdessen geht es mit handfestem Skalengeratter und vollgriffig pathetischen Akkordketten über die ganze Klaviatur zur Sache. Schade eigentlich um den dynamisch aufgeladenen Anfang des Konzerts, der nicht hält, was er verspricht, da seine Energie alsbald in unverbindliche musikalische Worthülsen zerfällt. Auch das melodische Material des zweiten Satzes trägt nicht über seiner dicken Unterfütterung. Der Satz schleppt sich mit einer gewissen Behäbigkeit durch seine Zeit, wobei man auf der Suche nach Inhalt hinter der musikalischen Geste auf der Strecke bleibt.
Immer mal wieder blinzelt auch ein echtes Zitat durch, sei es nun Chopin oder beim Bratschenkonzert gleich im Hauptthema Dvor?áks Cellokonzert. Das Bratschenkonzert op. 111 hat die weniger übliche Satzfolge langsam-schnell-langsam, wobei der erste – sicher hörenswerteste – Satz der CD ursprünglich separat stand und die anderen Sätze später hinzukamen. Schmidt-Kowalski gestaltet beide Instrumentalkonzerte sinfonisch, indem er Solist und Orchester als gleichberechtigte Partner eng miteinander verwoben agieren lässt. Die orchestrale Fülle der Werke ist im vorliegenden Livemitschnitt angenehm durchhörbar.
Die dritte Komposition der Aufnahme ist die Symphonische Phantasie op. 112 über Schillers Dichtung Das Lied von der Glocke. Die Musik episödelt in romantischer Manier, um sich am Ende satt in einem großen Orchestertutti, dem Glockenthema Schmidt-Kowalskis, zu ergießen.
Die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts wird bekanntlich nicht entlang der tonal schreibenden Komponisten erzählt. Bedauerlich ist es jedoch, dass die verschiedenen und ganz individuell tonalen Stile – man denke nur an Arvo Pärt, Henryk Gorecki oder die Minimal-Music – so wenig bekannt sind, dass man ein naives Publikum glauben machen kann, der Stil der vorliegenden CD wäre eine künstlerische Alternative zur offiziellen Avantgarde.
Anja Kleinmichel