Vandini, Antonio
Konzert D-Dur
für Violoncello solo, 2 Violinen, Viola und B. c., Erstausgabe, Partitur
Auf der letzten Partiturseite erblicken wir ihn selbst: Antonio Vandini, den famoso sonatore di Violoncello. Eher mürrisch, viele Dienstjahre auf dem Buckel tragend, hängt der Langnasige, in eine Art Morgenmantel gehüllt, förmlich über seinem Cello. Eine köstliche und vermutlich zugleich realitätsnahe Karikatur von Pier Leone Ghezzi, die ein interessantes Detail verrät: Vandini fasste den Cellobogen im Untergriff, gleich den Viola-da-Gamba-Spielern. Letzteres bestätigte auch der reisende Musikschriftsteller Charles Burney im Jahr 1770, und dies wiederum entnehmen wir dem aufschlussreichen Vorwort zur vorliegenden Edition des D-Dur-Konzerts von Vandini.
Den Herausgeber-Aktivitäten des renommierten Barockcellisten und Pädagogen Markus Möllenbeck in der Edition Walhall verdanken wir bereits diverse textkritische Neuausgaben von Konzerten Vivaldis, Caldaras und anderer Komponisten des 18. Jahrhunderts. Der vorliegende Band enthält das einzige überlieferte Cellokonzert des um 1690 in Bologna geborenen Vandini. Das Manuskript des Werks wird aufbewahrt in der Landesbibliothek Schwerin. Vandini wirkte sowohl am Ospedale della Pietà in Venedig als auch im Orchester der Basilika San Antonio in Padua, war also Kollege Antonio Vivaldis und Giuseppe Tartinis. Mit Letzterem verband ihn eine lange Freundschaft, und vermutlich enthält der d-Moll-Mittelsatz des Cellokonzerts in seiner dreistimmigen Faktur eine Reverenz an den Kollegen: Der vom Continuo begleitete Monolog des Solo-Cellos wird durch eine Violino-primo-solo-Stimme kontrapunktiert. Umrahmt wird der Satz einerseits von einem schwungvollen Allegro, dessen Synkopenträchtigkeit deutlich an Kopfsätze Tartinischer Konzerte gemahnt, andererseits von einem schnellen Menuett im 3/8-Takt.
Für welches Instrument hat Vandini sein Konzert komponiert? Einige Doppelgriff- und Arpeggio-Passagen sowie zumindest eine melodische Passage in relativ hoher Lage legen nahe, dass er hier an ein fünfsaitiges Cello in der Stimmung C-G-d-a-e oder auch C-G-d-a-d gedacht haben könnte. Zu Recht stellt Möllenbeck diese Frage in einen größeren Zusammenhang: Bis weit ins 18. Jahrhundert existierte das Cello in den unterschiedlichsten Varietäten und Stimmungen und wurde flexibel den Anforderungen der jeweiligen Komposition angepasst. Andererseits lässt sich Vandinis D-Dur-Konzert problemlos will sagen: ohne klangliche Einbußen oder kompositorische Verrenkungen auf dem heute üblichen viersaitigen Cello ausführen. Es bleibt zu wünschen, dass das attraktive Werk Einzug ins Repertoire hält, zumal dank der vorliegenden Edition Klavierauszug und Stimmen sind unter gleichem Label erhältlich auf zuverlässiges, makelloses Notenmaterial zurückgegriffen werden kann.
Gerhard Anders