Hans Pfitzner

Konzert a-Moll

für Violoncello und Orchester, Klavierauszug

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Johannes Oertel Verlag/Schott, Mainz
erschienen in: das Orchester 6/2023 , Seite 66

Nach wie vor tun wir uns schwer mit Hans Pfitzner. Seine Partituren zeugen von ausgefeilter Kunst und frappierendem Einfallsreichtum: Wir finden Dramatik, daneben grüblerische In-sich-Gekehrtheit, feierliches Pathos, filigrane Leichtfüßigkeit, ja: sogar Humor! Pfitzner erlebte große Erfolge, zugleich trägt seine Biografie Züge einer Tragödie. All dies jedoch verblasst aus heutiger Sicht vor der Tatsache, dass sich dieser Künstler dem Nationalsozialismus – und einzelnen Vertretern des Regimes persönlich – in geradezu widerwärtiger Weise angedient hat. Kann man seine Musik bedenkenlos spielen? Eine mögliche Antwort: nicht bedenkenlos, aber spielen soll man sie, weil sie schlicht zu gut ist, um in den Archiven zu verschwinden!
Leidenschaftliche Protagonisten der neuen Musik haben sich für Pfitzner eingesetzt. Der Komponist Wolfgang Rihm schreibt: „Wir finden nicht auf den ersten Blick das gebrochen Heutige in seinem Werk, aber auch nicht das ungebrochen Gestrige. Wir finden beides – also keines, und dies lässt Einordnungsversuche stocken.“ Proteste handelte sich der Dirigent Ingo Metzmacher ein, als er anlässlich der Feiern zum 3. Oktober Pfitzners Von deutscher Seele aufführte.
Die Veröffentlichung des Klavierauszugs (inklusive Solocello-Stimme) zu Pfitzners spätem a-Moll-Cellokonzert bietet Anlass, dieses weithin vergessene Werk neu zu erleben. Seine vier knappen Sätze sind höchst kont­rastreich angelegt und bieten dem Solisten oder der Solistin lohnende „Betätigungsfelder“: schumanneske Gesanglichkeit im ersten und dritten Satz, eine originelle Kadenz, äußerst vertrackte Doppelgriffe und Läufe in den schnellen Sätzen Zwei und Vier. Alles in allem einen effektvollen Solo-Part, der dank Pfitzners geschickter Orchestrierung nie in Gefahr gerät, vom großen Apparat verschluckt zu werden. Ernst Gernot Klussmanns Klavierauszug fasst die Pfitzner’sche Setzkunst geschickt in einen griffigen Satz zusammen. Es braucht indes die professionelle Hand eines gewieften Begleiters, um die akkordischen und kontrapunktischen Verästelungen des Werks präzis zum Klingen zu bringen.
Die vorliegende Schott-Ausgabe gibt das Notenbild der Ausgabe des Johannes Oertel Verlags von 1944 originalgetreu wieder. Es sei angemerkt, dass sowohl Oertel als auch Klussmann Karrieristen der NS-Zeit waren. Klussmann trat 1933 in die NSDAP ein und wurde 1948 als Mitläufer eingestuft. Oertel „erbte“ 1935 einen Teil der Rechte des renommierten Adolph Fürstner Verlags, nachdem Otto Fürstner, der Sohn des Verlagsgründers, nach England hatte emigrieren müssen. Für Hinweise hierzu wäre in der Neuausgabe durchaus noch Platz gewesen.
Zwei Wünsche daher: Offenheit im Umgang mit den Fakten, Offenheit für die Schönheiten der Musik Pfitzners!

Gerhard Anders

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