Ditters von Dittersdorf, Karl
Konzert
für Kontrabass und Orchester F-Dur, Krebs 172, Fassungen in E-Dur und D-Dur, hg. von Tobias Glöckler
Er war sicherlich kein Genie, war aber ein musikalisch vielseitig tätiger, liebenswürdiger Zeitgenosse von Mozart und Haydn: Karl Ditters von Dittersdorf (1739–1799). Bekannt wurde er zunächst als versierter Solist auf der Geige, dann immer mehr als Konzert- und Kapellmeister an verschiedenen Bischofssitzen und Fürstenhöfen. Sein kompositorisches Werk ist ausgesprochen umfangreich und wird zu Unrecht links liegen gelassen: Es gibt von ihm über hundert Sinfonien, zahlreiche Solokonzerte (darunter zwei für Kontrabass), viel Kammermusik, immerhin zehn Opern (darunter Doktor und Apotheker) und verschiedene Oratorien und geistliche Werke. Die Erhebung in den Adelsstand (1773) zählte für ihn zu einer der wichtigsten Epoche in seinem Leben. Leeren höfischen Geist atmen Dittersdorfs Werke jedoch nicht. Die Presse würdigte ihn nach seinem Tod als vorzüglichsten Volkskomponisten. In der Tat finden Lied und Tanz seiner österreichischen Heimat deutlichen Zugang in seine Werke.
Die beiden Konzerte für Kontrabass in D‑Dur und in E‑Dur entstanden wohl um 1767 in Großwardstein. Dort leitete Dittersdorf die Kapelle des Bischofs Patachich. Für das Ensemble hatte Dittersdorf den Bassisten Friedrich Pichelberger engagiert, der für die damalige Zeit ein ausgesprochener Virtuose auf seinem Instrument gewesen sein muss. Somit sind die für ihn geschriebenen Werke die ersten Basskonzerte überhaupt, entstanden lange vor den Kompositionen eines Sperger, Dragonetti oder Bottesini.
Mit dieser frühen Entstehung aber hängen die Probleme der Drucklegung und Archivierung zusammen. Das hier vorliegende E‑Dur-Konzert geriet für lange Zeit in Vergessenheit. Die Neuveröffentlichungen steckten voller Fehler und romantisierender Eingriffe und hatten so mit dem Original nicht viel zu tun. Dennoch zählt das Werk zu den meistgespielten und bekanntesten Konzerten für den Kontrabass und ist Pflichtstück aller Probespiele. Probleme für die Praxis ergaben sich aus den verschiedenen Stimmungen: Zum einen gab es die historische Wiener Stimmung (A‑d-fis‑a), zum anderen wurden die Solobässe gegenüber der Orchesterstimmung, eines helleren Klanges wegen, um einen halben oder einen ganzen Ton
höher gestimmt.
Mit wissenschaftlicher Akribie und nach exaktem Quellenstudium hat der Dresdener Bassist Tobias Glöckler zunächst (zusammen mit dem Pianisten Christoph Sobanski) eine Fassung für Kontrabass und Klavier ver-
öffentlicht und dazu auch eigene Kadenzen geschrieben. Für diese Urtext-Ausgabe wurde Glöckler mit dem Deutschen Musikeditionspreis ausgezeichnet. Nun folgte in einer Gemeinschaftsproduktion von Breitkopf und Henle die Partitur. Das Orchestermaterial ist über die beiden Verlage zu beziehen. Die sorgfältig edierte und gut lesbare Dirigierpartitur liegt, wie die Solostimme auch, in zwei Tonarten vor, in E‑Dur und in D‑Dur. Zwei Seiten umfasst der Revisionsbericht des Herausgebers, der alle Eingriffe früherer Ausgaben weglässt und sich ganz an das Original hält. Nun sind endlich historisch richtige Aufführungen des wohlbekannten Konzerts möglich. Es dauert etwa zwanzig Minuten. Die Öffentlichkeit kann sich darauf freuen.
Wolfgang Teubner