Händel, Georg Friedrich

Konzert

für Orgel und Orchester F-Dur Nr. 16 HWV 305a, Partitur/Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2005
erschienen in: das Orchester 02/2006 , Seite 82

Die vorliegende Neuausgabe des letzten händelschen Orgelkonzerts ist ein gelungenes Beispiel für das Zusammenwirken von Musikwissenschaft und Aufführungspraxis. Dieses Konzert gehört zwar zu den bekanntesten und beliebtesten dieser Werkgattung, gilt aber andererseits entstehungsgeschichtlich als das umstrittenste. Bekanntlich dienten diese Stücke dazu, in den langen Pausen zwischen den Oratorienteilen die Zuhörer angenehm zu unterhalten. Händel selbst präsentierte sich dabei gern als Solist. So stammt auch dieses Stück aus einem Oratorium, nämlich Judas Maccabäus. Ursprünglich enthielt es sechs Sätze, die nachweislich am 1. April 1747 zur Uraufführung gelangten. Nun wurde das Werk erst vierzig Jahre nach Händels Tod gedruckt. Neben der Fassung mit Orchester gibt es auch eine für Orgel allein, fünfsätzig und von Händel selbst geschrieben.
Seitdem haben sich viele Theoretiker und Praktiker bemüht, eine gültige Fassung zu rekonstruieren. Die vorliegende Neuausgabe stammt von Ton Koopman, und hier ist der Name gleichsam Programm und verbürgt Qualität. Sowohl im Vorwort wie im Kritischen Bericht legt er sorgfältig alle Quellen offen, beschreibt detailliert die Entstehungsgeschichte, umreißt behutsam und akribisch Möglichkeiten und Grenzen einer authentischen Aufführung heute. Alle Umstände, die Händels Orgelschaffen beeinflussten, werden hier unübertroffen für den Druck und damit mögliche Aufführungen berücksichtigt.
Am wichtigsten ist wohl die Tatsache, dass Händel große Teile der Orgelkonzerte improvisiert hat. Das betrifft sowohl die Auszierung des Soloparts zur Orchesterbegleitung als auch die freie Improvisation ganzer Sätze, dann natürlich ohne Orchester. Koopman hat dementsprechend den dritten Satz als „Organo ad libitum“ (ohne Orchester) deklariert und dem Spieler Freiraum zur Improvisation gegeben. In der Orgelstimme hat er ein selbst verfasstes Beispiel eines solchen Stücks geboten, das eventuell aufgeführt werden kann. Ein weiterer Umstand besteht in den relativ kleinen Orgeln (1- oder 2-manualig, oft ohne Pedal), die Händel in England zur Verfügung standen. So ist auch dieses Konzert manualiter auszuführen. Koopman beschränkt sich beim Orgelpart auf die einfachste Notation, wie sie vom Komponisten überliefert ist. Nach barocker Praxis hatte der Organist zu verzieren, Akzidenzien hinzuzufügen und gelegentlich den dünnen, oft zweistimmigen Satz vollgriffig zu gestalten.
Auch in der Orchesterbesetzung hält sich der Herausgeber nah ans Original. Vorgesehen sind zwei Oboen, zwei Fagotte, zwei Hörner und Streicher. Hier kann man außer Tuttiklängen auch nur Streicher oder Bläser oder auch Mischungen vornehmen.
Das Konzert besteht aus acht Sätzen. Nach einer majestätischen französischen Ouvertüre folgt ein figuriertes Allegro. Der 4. Satz bietet einen bezaubernden Dialog zwischen Bläsern und Orgel. Danach spielt das Orchester allein ein ausdruckvolles Adagio. Der
6. Satz ist der längste, ein mehrteiliges Andante. Ein Allegro im Rhythmus einer Gigue und der aus dem Oratorium bekannte Marsch beschließen das Konzert. Allen Orchestern und Organisten – vor allem auch Laien – ist das nicht allzu schwere Werk sehr zu empfehlen!
Otto Junker