Yun, Isang
Kontraste/Garak für Flöte und Klavier/Flöten-Etüden III + V/ Fünf Stücke für Klavier/Königliches Thema/Duo für Viola und Klavier
Im zwölften Jahr ihres Bestehens hat die Anfang 1996 und somit unverzüglich nach dem Tod des 78-jährigen in Berlin wirkenden, aus Südkorea stammenden Komponisten gegründete Internationale Isang Yun Gesellschaft nun bereits die siebte CD aus dem Werkfundus dieses in mehrfacher Hinsicht so außerordentlichen Künstlers veröffentlicht. Zeitlebens waren für ihn kompositorisches Schaffen und persönliches Engagement gegen Rechtlosigkeit und Gewaltherrschaft nicht voneinander zu trennen. Ein Komponist kann die Welt, in der er lebt, nicht gleichgültig betrachten. Wo es Schmerzen gibt, wo es Unrecht gibt, will ich mitsprechen durch meine Musik, sagte er 1983. Und er tat es nicht allein durch künstlerisches, sondern auch durch leibhaftiges Sich-Einmischen, war schon im Zweiten Weltkrieg im anti-japanischen Widerstand in Korea aktiv, wurde verhaftet und gefoltert; 1967 dann entführte ihn der südkoreanische Geheimdienst aus seinem Gastland Deutschland nach Seoul, folterte ihn und ließ ihn wegen Landesverrats zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilen. Nach internationalen Protesten schließlich freigelassen, nahm Isang Yun 1971 die deutsche Staatsbürgerschaft an.
In seinem kompositorischen Schaffen tritt das Außerordentliche durch eine wie selbstverständlich erscheinende Symbiose (nicht nur Synthese!) von fernöstlichen und westlichen Klangwelten zu Tage. Keine von beiden bedient sich dabei künstlich-effekthascherisch der anderen, sondern beide dienen einander, verbinden und verbünden sich auf künstlerisch so anspruchsvolle wie sinnhafte Weise. Diese solistische Werke-CD legt einmal mehr sehr beeindruckend Zeugnis vom erkennbar auf der Hand liegenden taoistischen Schaffensprinzip Isang Yuns ab. Dabei sind die zwölf kleinen Stücke (wovon die fünf für Klavier jeweils weniger als zwei Minuten lang sind und Garak sowie das Duo für Viola und Klavier als die umfangreichsten keine Viertelstunde in Anspruch nehmen) stets auch von beeindruckender künstlerischer Autonomie, bei aller Herkunft aus jenem einen Geiste des Taoismus. Jedes von ihnen wäre eine eigene Würdigung im Umfang dieser Gesamtrezension wert. Allen gemeinsam ist, dass sie in ihrer Eigenständigkeit eines wie das andere den Hörer ganz zu fesseln vermögen jedoch nicht im Sinne von passiver Hingabe, sondern dass sie Empfinden und Fantasie aufschließen für innewohnende eigene, womöglich sogar spirituelle Projektionen.
Das funktioniert so magisch vom ersten bis zum letzten Laut dank einer weisen Auswahl der Stücke (einige sind Live-Mitschnitte von höchster Qualität) wie auch deren Interpretinnen und Interpreten. Aya Hemmi, Andreas Kißling und Roswitha Staege (Flöten), Kolja Lessing (Violine), Hartmut Rohde (Viola) und Randolf Stöck (Klavier) spielen so, als seien ihnen die wahrlich hohe Meisterschaft abfordernden Kompositionen wie auf den Leib geschrieben. Man wäre gerne bei den in hervorragender Tonregie (Wolfgang Vieweg) aufgezeichneten Live-Konzerten dabei gewesen, um den Darbietenden zujubeln zu können.
Günter Höhne