Heister, Hanns-Werner / Walter-Wolfgang Sparrer (Hg.)

Komponisten der Gegenwart

35. bis 39. Nachlieferung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: edition text + kritik, München 2008/2009
erschienen in: das Orchester 05/2010 , Seite 65

Der Stellplatz im Bücherregal platzt langsam aus den Nähten: Mit den jüngsten Lieferungen – nun bis zur Nr. 39 vom August 2009 – hat sich das Loseblattlexikon Komponisten der Gegenwart auf den Umfang von sechs Ordnern erweitert, ohne dass ein Ende des Projekts abzusehen wäre, sowohl was die Aktualisierung als auch das Auffüllen historischer Lücken betrifft. Etwas verblüfft stellt man fest, dass zum Beispiel Arthur Honegger bisher nicht verzeichnet war, der nun immerhin mit einem zweiseitigen „Grundblatt“ aus Kurzbiografie und umrisshafter Würdigung seines Œuvres erfasst ist.
So notwendig die wiederum zahlreichen kleineren biografischen Ergänzungen und Retuschen sind – oft genug durch das Ableben der Künstler veranlasst –, so fällt das Augenmerk des Benutzers doch vor allem auf die umfangreichen Gesamtdarstellungen samt Werkverzeichnissen, Diskografien, Bibliografien und teils sogar Filmografien. Solch ausführliche Würdigungen und Dokumentationen erfuhren zuletzt z.B. der französische Spektralist Gérard Grisey, der Däne Poul Ruders, der große Außenseiter im BRD-Musikleben Joachim Hespos, der Tscheche Jan Klusák, der aus Odessa gebürtige Pianist und Komponist Leo Ornstein, der erst 2002 im Alter von 108 Jahren (!) verstarb, und die aus Korea stammende Komponistin Younghi Pagh-Paan. Äußerst anerkennenswerte Pionierarbeit leisten die Autoren der entsprechenden Beiträge und können trotzdem manchmal, wenn der Nachlass unübersichtlich, weit verstreut oder teils noch unzugänglich ist, nur einen vorläufigen Informationsstand bieten: so bei dem tschechischen Erforscher der Mikrotonalität Alois Hába oder dem jung durch Unfall verstorbenen griechischen Musiker Jani Christou.
Die über 110 Blätter, auf denen Dmitri Schostakowitsch, die Zentralfigur der sowjetrussischen Musik porträtiert wird, bilden fast schon eine Monografie für sich, welche den neuesten Forschungs- und politisch-ästhetischen Diskussionsstand widerspiegelt. Hier ist der Daten-Anhang nahezu systemsprengend umfangreich (mit einer über 100 hinausgehenden Seitenzählung in ungewohnter römischer Zahlschrift).
All diese stellvertretend für zahlreiche weitere schöpferische Musiker genannten Namen zeigen, wie umfassend und ohne jedwede geografische oder stilistische Beschränkung der Blick der Herausgeber und der zahlreichen ihnen zuarbeitenden Autoren auf alle Phänomene des Musiklebens gerichtet ist. Wie weit gefasst der inhaltliche Anspruch des Loseblattlexikons Komponisten der Gegenwart ist, sieht man auch daran, dass musikalische Grenzgänger einbezogen werden: etwa Max Brod, den man eher als Schriftsteller und Kafka-Herausgeber denn als schöpferischen Musiker kennt, oder der Dichter Ezra Pound, der in einigen wenigen Fällen seine Wortmusik ins Opernhafte zu erweitern versuchte.
Gerhard Dietel

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