Heister, Hanns-Werner / Walter Wolfgang Sparrer (Hg.)

Komponisten der Gegenwart

30.-32. Nachlieferung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: edition text + kritik, München 2006/07
erschienen in: das Orchester 07-08/2007 , Seite 77

Die Komponisten der Gegenwart können heuer ein Jubiläum feiern: 15 Jahre ist es her, dass im September 1992 die „Grundlieferung“ des Loseblattlexikons erschien, das sich dem ehrgeizigen Ziel verschrieben hat, alle Komponisten zu erfassen, die ab etwa 1900 aktiv waren oder es noch sind. Eine internationale, nicht auf Europa zentrierte Ausrichtung war von vornherein beabsichtigt, und auch stilistisch wollten die Herausgeber, Hanns-Werner Heister und Walter Wolfgang Sparrer, keine Grenzen ziehen, der Avantgarde ebenso Raum geben wie dem Konservativismus.
Seither hat sich das Lexikon mit zwei bis drei Lieferungen pro Jahr zu einem sechs gewichtige Ordner umfassenden Kompendium erweitert, in dem fast achthundert Musikerpersönlichkeiten wenigstens in Form von zweiseitigen „Grundblättern“ zu Leben und Werk erfasst sind, und manche von ihnen ausführliche Würdigungen erfahren haben, die sich oft zu kleinen Monografien auswuchsen. Erfreulich ist immer wieder, dass in diesem erweiterten Rahmen über allgemeine Charakterisierungen hinaus sogar detaillierte Werkbesprechungen möglich sind.
In den Lieferungen Nr. 30 bis 32 des Loseblattlexikons sind es u.a. Gilbert Amy, Peter Michael Hamel, York Höller, Giselher Klebe, Gideon Klein, Dieter Mack, Olga Neuwirth und Mátyás Seiber, die in umfassender Form porträtiert werden. Was die einzelnen Autoren der Beiträge leisten, ist zum guten Teil lexikografische Pionierarbeit, und konkurrenzlos sind die Ergänzungsbeiträge zu den Komponisten der Gegenwart, was die Aktualität der Daten im Fall noch lebender Musiker und Musikerinnen betrifft.
Unvermeidlich sind wieder die zahlreichen Änderungen, die durch das Ableben von Komponisten wie Helmut Eder, Heimo Erbse, Luc Ferrari, György Ligeti oder Jenö Takács in jüngerer Vergangenheit nötig wurden, doch schlagen auch Ergänzungen und Korrekturen von Werk- und Literaturverzeichnissen umfangreich zu Buche, gerade bei der jüngsten weitgehend auf einen Blättertausch beschränkten Lieferung Nr. 32.
Staunend sieht man, dass einige Datenlücken unerwartet spät geschlossen wurden, so im Fall des bereits 1930 verstorbenen, aber jetzt erst mit einem „Grundblatt“ bedachten dänischen Komponisten Carl Nielsen. Breit gestreut ist im Übrigen wieder, was wenigstens im Überblick neu erfasst wurde. Eher traditionalistisch ausgerichteten Musikern wie Cesar Bresgen oder Alfred Uhl begegnet man in diesem Rahmen ebenso wie dezidierten Kunstpionieren, populären Komponisten wie Astor Piazzolla, aber auch öffentlich wenig wahrgenommenen Grenzgängern wie Alberto Savinio, dem Bruder des Malers Giorgio di Chirico. Und immer wieder wird man bei der Durchsicht der Daten nachdrücklich erinnert, wie stark die Politik die Musikerbiografien im 20. Jahrhundert mitbestimmt hat: im Fall von Exilanten wie Hans-Joachim Koellreutter oder, noch gravierender, bei den nach Theresienstadt deportierten und später ermorderten Komponisten Pavel Haas und Gideon Klein.
Gerhard Dietel