Sigmund, Martin
Komponieren für Events
Zur Rolle der Künste in der Eventkultur
Der Autor des Buchs, der selbst im Bereich des Komponierens für Events tätig geworden ist und seit 2009 einen Studiengang zu diesem Thema an der Universität Wien etablieren konnte, stellte in öffentlichen Gesprächen zum Thema Event oft eine kontroversielle Diskussion fest, die in der kritischen und vorurteilsbeladenen Haltung der ernsten Kultur gegenüber der Spaßgesellschaft (Event) besteht und der er nun wissenschaftlich auf den Grund gegangen ist. In der Anlage sehr spannend werden unterschiedliche Kulturen zwischen der neuen Musik, Eventkunst (nach John Cage) und Marketing beleuchtet. Aufgrund der schwierigen Fassbarkeit des Event-Phänomens überblendet der Autor eine Vielzahl methodischer Ansätze in einem interdisziplinären Geflecht, die sich in erläuterten Begriffen von Erleben, Präsenz, Kontextverschiebung (deren Definition aus Lexika der 1980er Jahre abgeleitet wird) und Dramaturgie/ Inszenierung niederschlägt.
Hier wie auch in den folgenden Kapiteln, in denen autonome Kunst, Gesamtkunstwerk, Kunstentwicklungen nach 1945, Marktanteile und soziologische Perspektiven erörtert werden, gelangt das Buch nicht über einen Einführungsstatus hinaus, was dazu führt, dass die Begriffe wenig Profil gewinnen, eher wie bunte Wegweiser im Nebel auftauchen. Daran ändert auch die Abbildung des Kugelmodells musikalischer Stilfelder als elitäres Kulturmuster von Huber nichts.
Die Erkenntnis, dass neue Musik ein hochelitärer Betrieb ist, dennoch oftmals funktionell verflochten, aber finanziell in der Regel nur wenig einbringt, ist kaum überraschend. Die Fallbeispiele, aktuelle Auftragswerke für Events (der eigentliche Forschungskorpus der Untersuchung), werden dann systematisch nach den Gesichtspunkten Auftraggeber, Komponist (ausschließlich in österreichischen Kontexten tätig), Anlass und Ziel, Location, Inszenierung und Rezeption einheitlich analysiert. Die abschließende integrative Analyse diskutiert die unterschiedlichen Prozessbedingungen. Aufgrund der zuvor zwar breiten, aber nur oberflächlichen Sichtung der Begriffe kann die Analyse nur wenig ergiebig sein. Die geschilderten Projekte der Komponisten sind durchaus interessant und hätten genauere Analysen verdient.
So krankt das Buch, bei aller interdisziplinären Vielfalt und dem weiten Horizont an Perspektiven, den es ausbreitet, vor allem erstens an oberflächlich begrifflichen Bestimmungen, die kaum im Forschungskorpus Anwendung finden können; zweitens spiegelt das zugrunde gelegte Material ausschließlich die österreichische Situation, sodass es angebracht gewesen wäre, diesen Zusatz auch im Titel des Buchs zu erwähnen. Dem Autor kommt das Verdienst zu, eine wichtige kultursoziologische Thematik angeschoben zu haben. Das Buch mag als kommunikatives Bindeglied zwischen Komponisten und Auftraggebern der Eventkultur im Zeitalter der Handbuchinflation durchaus gut funktionieren und seinen Wert darin finden. Als kulturanalytisches Werkzeug aber, als welches es auftritt, bleibt das Buch unbefriedigend.
Steffen A. Schmidt