Werke von Philipp Heinrich Erlebach, Johann Michael Nicolai, Christian Herwich, Andreas Oswald u. a.

Klingende Thüringer Residenzen

Capella Jenensis

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Rondeau
erschienen in: das Orchester 6/2024 , Seite 72

Diese CD ist alles andere als nur von regionalgeschichtlichem Interesse. Sie ist natürlich den im Titel angegebenen Klingenden Thüringer Residenzen gewidmet und bringt dort entstandene Musik des 17. Jahrhunderts: Instrumentalmusik, bei der vor allem die Viola da Gamba als damals sehr beliebtes Instrument im Zentrum steht. Doch sie liefert darüber hinaus einen sehr eindrücklichen Beitrag zur Musik des Frühbarocks und macht mit höchst reizvollen Kompositionen bekannt. Gerade die stilistische und formale Offenheit und Vielfalt dieser Werke, verbunden mit einer oft überquellenden Lebendigkeit, fasziniert und macht die Begegnung mit ihnen zu einem Genuss.
Drei der zehn Werke auf der CD sind Ersteinspielungen. Sieben Komponisten sind vertreten, drei stehen quasi im Zentrum. Sie waren am Hof in Weimar tätig, ehe die dortige Hofkapelle 1662 aufgelöst wurde: Andreas Oswald, Christian Herwich und Adam Drese. Gertrud Ohse, die auch im Ensemble gleichsam an erster Stelle musiziert, hat den sehr lehrreichen und gut zu lesenden Text im Booklet verfasst, der über das Konzept der Aufnahme Aufschluss gibt. Dabei geht es nicht zuletzt darum, die Verbindungen zwischen den vielen Höfen im damaligen Thüringen deutlich zu machen – und auch zu zeigen, wie die Kompositionen der dort wirkenden Musiker auch von außerhalb, von italienischen, französischen oder englischen Einflüssen geprägt waren. Die weiteste konkrete Reise unternahm übrigens der Gambist Christian Herwich, der ab 1635 Teilnehmer der Persien-Reise des Herzogs Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf war, an der auch der berühmte Barockdichter Paul Fleming teilnahm.
Die anderen Komponisten sind der vor allem in Rudolstadt tätige Philipp Heinrich Erlebach, der lange in Stuttgart wirkende, wohl aber in Thüringen ausgebildete Johann Michael Nicolai, der reisende Gambenvirtuose August Kühnel und Johann Krieger, der Hofkapellmeister in Weißenfels war, wo er Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach begegnete.
Die Capella Jenensis erweist sich bei dieser Aufnahme als ein ausgezeichnetes Originalklangensemble, das hinsichtlich Spielfreude und Stilkenntnis kaum Wünsche offenlässt. Neben der schon erwähnten Gambistin Gertrud Ohse und dem Gambisten Tillmann Steinhöfel musizieren Claudia Mende und Andrea Schmidt, Barockvioline, sowie Petra Burmann, Theorbe und Barockgitarre, sowie Daniel Trumbull, Cembalo und Orgel. Es ist eine Aufnahme, die wie schon bemerkt Freude beim Hören macht und das Wissen um deutsche Barockmusik mehrt.
Parallel zu diesem Album entstanden auch Filme mit der Musik auf Schlössern in Thüringen als digitale Porträts der reichen Musiklandschaft dort (www.klingende-residenzen.de).
Karl Georg Berg