Meier, Hansdieter
Kleine Spiegel-Rhapsodie
für Viola solo
Hansdieter Meier ist ein Musiker, der gern auf den verschiedensten Hochzeiten tanzt. Als Geiger mit zusätzlicher Ausbildung in Musikpädagogik, Tonsatz und Musikwissenschaft wandert er seit vielen Jahren ganz ungeniert zwischen den musikalischen Stilen und Schubladen umher und entzieht sich dabei erfolgreich der Festlegung auf ein bestimmtes Genre: War er eben noch als Mitglied des Nordwestdeutschen Kammerensembles Primarius eines klassischen Klavierquartetts, gibt er (in der gleichen Besetzung, aber jetzt unter dem Namen Norwestdeutsches Salon-Ensemble) wenig später bereits den halbseidenen Stehgeiger mit süffigen Arrangements von schwelgerischen Benatzky- und Csárdás-Melodien. Auch beim Crossover mit Jazz, Rock oder Folk kennt er keine Berührungsängste: Für selbstverfasste Swing-, Boogie- oder Tango-Nummern greift er dann regelmäßig zur E-Geige.
Wenig verwunderlich, dass sich Meier hin und wieder auch als Komponist ernsthafter Musik versucht. Die Kleine Spiegel-Rhapsodie für Violine solo war immerhin erfolgreich genug, um nach gut zehn Jahren nun auch als Transposition für Bratsche zu erscheinen sicherlich begünstigt durch die Tatsache, dass das Stück tatsächlich klein ist und auf eine ausklappbare Doppelseite passt.
Auch wenn die werbewirksam beigefügte Empfehlung von Ulf Hoelscher (dessen Schüler Meier war), nach der die Rhapsodie eine überzeugende Synthese aus fester Spiegel- bzw. Krebsform und kontrastreichem emotionalem Ausdruck darstellt, vielleicht etwas zu überschwänglich ausgefallen ist: Als gelungene musikalische Fingerübung von durchaus eigenem Reiz kann man das Werkchen schon bezeichnen. Meier ließ sich nach eigenen Angaben ein wenig von östlicher Folklore inspirieren. Neben dem schwebenden 5/4-Takt und der modal eingefärbten Harmonik macht sich das vor allem in spielerisch stilisierten Versatzstücken bemerkbar, die auf ganz knappem Raum fast zitathaft nebeneinander gesetzt werden, ohne dabei die zugrunde liegenden Klischees tatsächlich zu bedienen.
Trotzdem ist eigentlich alles drin, was eine ungarische (oder rumänische oder bulgarische) Rhapsodie üblicherweise so braucht: eine veritable Introduktion mit leeren Quinten, Pizzikato-Akkorden und Flageolett-Effekten, eine dramatisch-virtuose Sechzehntelpassage mit Doppelgriffen und hohen Lagen, schließlich ein schwelgerisches Espressivo auf der tiefen Saite, inklusive schmachtender Abwärtschromatik und finaler Dur-Aufhellung. Nach nur 21 Takten läuft das Ganze notengetreu krebsgängig zum Ausgangspunkt zurück, was bei den dezidiert vorwärts gedachten Floskeln nicht ohne Witz ist. Noch eine kurze Coda und schon ist alles wieder zu Ende.
Bei gerade einmal drei Minuten Spielzeit kann und will eine Miniatur wie diese natürlich nicht mit den Repertoire-Schlachtschiffen der großen Kunst konkurrieren. Eine Alternative im Zugabenteil ist sie aber allemal.
Joachim Schwarz