Reiner, Karel
Klavírní trio (1965)
Partitur und Stimmen
Die Welle der Entdeckungen vergessener Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den vergangenen 20 Jahren scheint an Karel Reiner und seinen Werken ohne jegliche Auswirkung vorbeigegangen zu sein. Anders als bei seinen Landsleuten Alois Hába, Viktor Ullmann, Hans Krása, Gideon Klein oder Pavel Haas hinterlässt das uvre Karel Reiners nach wie vor so gut wie keine Spuren im Musikleben; seinen Kompositionen begegnet man weder auf Tonträgern noch im Konzert. Fast scheint es, als hätte man ihn, der anders als Krása, Klein, Ullmann und Haas das KZ Theresienstadt und auch Auschwitz überlebte, völlig vergessen.
Dabei gäbe es viel zu entdecken: großformatige Orchesterwerke, Opern oder Kammermusik rund 300 Werke hat der promovierte Jurist hinterlassen. Stilistisch scheint Karel Reiner in der fünfzigjährigen Spanne seines Schaffens so manche Wendung vollzogen zu haben und vielerlei Einflüsse aufgenommen zu haben. Verwurzelt ist Karel Reiners Musiksprache zwar nicht zuletzt durch die Ausbildung bei Alois Hába und Josef Suk in der Spätromantik, jedoch weisen viele seiner Werke starke atonale Einflüsse auf.
Das jetzt bei Ricordi herausgekommene Trio für Violine, Violoncello und Klavier stammt aus dem Jahr 1965 und beeindruckt weniger durch die Virtuosität der Einzelstimmen als vielmehr durch komplexe Strukturen, eine scharfe, kontrastreiche Zeichnung und eine sehr freie tonale Gestaltung. Die musikalische Sprache Karel Reiners fordert souveräne Musiker, die reaktionssicher im Zusammenspiel sind, die die nötigen Akzente prägnat zu setzen wissen und die nicht zuletzt mit einem sicheren Gespür für die nötigen Klangschattierungen zu agieren wissen. Die vier Sätze weisen nicht nur durch die zahlreichen Taktwechsel und eine hochchromatische Schreibweise erhebliche Herausforderungen für die Interpreten auf; zentral ist zudem bei aller Abstrahierung der Musiksprache und dem Verzicht auf eine starke melodische Komponente die Herausarbeitung der musikantischen Qualitäten dieses Klaviertrios. Im dritten Satz, dem Allegro scherzando, mag dieses Musikantische am deutlichsten zutage treten, doch auch die übrigen Werkteile vertragen einen sehr direkten, zupackenden Ansatz in der Wiedergabe.
Es wäre mehr als lohnenswert, wenn die vorliegende Ausgabe von Karel Reiners Trio mehr Aufführungen ermöglichen bzw. überhaupt erst anregen würde. Vielleicht ergäbe sich so eine deutlich bessere Sicht auf
einen Komponisten des 20. Jahrhunderts, der trotz aller zermürbender Schicksalsschläge wie Konzentrationslager oder Aufführungsverbot in den 1970ern eine charakteristische und gleichsam unbeugsame Tonsprache entwickelt und vor allem beibehalten hat. Auch wenn Durchhaltevermögen keine musikalische Qualität an sich ist, muss sich dies im Fall von Karel Reiner irgendwann auszahlen.
Daniel Knödler