Schumann, Robert

Klavierquintett op. 44/Drei Streichquartette op. 41

Rubrik: CDs
Verlag/Label: MDG 307 1610-2
erschienen in: das Orchester 11/2010 , Seite 73

Schlecht recherchiert oder mit Absicht übersehen? Ärgerlich allemal ist die Behauptung auf der neuen Schumann-CD des so wichtigen deutschen Klassik-Labels Musikproduktion Dabringhaus und Grimm MDG, die hier erklingende Urfassung der drei Streichquartette op. 41 sei eine Ersteinspielung. Schon vor fünf Jahren hat das Chemnitzer Robert Schumann-Quartett, immerhin in einer Produktion des Rundfunk Berlin-Brandenburg für Sony, die handschriftliche Fassung der Quartette, die Robert seiner Frau zu deren 24. Geburtstag geschenkt hatte, zu Rate gezogen und die zur Drucklegung gestrichenen wenigen Passagen wieder ins Werk mit einbezogen. Nichtsdestotrotz ist dieser erneute Hinweis auf diese Urfassung, die jetzt von Nick Pfefferkorn im Eigenverlag verdienstvoll ediert wurde, dringend geboten. Schumanns ursprüngliche Werkidee – und in dieser Urfassung waren die Quartette bei den ersten Proben 1842 durch das David-Quartett in Leipzig sicher auch musiziert worden – basiert darauf, die drei Quartette im Zyklus aufführen zu lassen. Aufführungstra­ditionelle und verlegerische Einwände hatten die Streichungen nötig gemacht.
Und nichtsdestotrotz ist auch diese Einspielung des Leipziger Streichquartetts ein edles Geburtstagsgeschenk für den Jubilar Schumann. Stefan Arzberger, Tilmann Büning, Ivo Bauer und Matthias Moosdorf verleiben ihrer umfassenden diskografischen Schatztruhe eine weitere strahlende Perle ein. Der ihnen eigene, eher strenge Klangcharakter setzt Schumanns Orientierung an Beethoven in diesen Quartetten gut um. Das Immer-Vorwärtsdrängende ihrer Spielart kommt den eher etwas spröden Quartetten op. 41 sehr zupass.
Größere Phrasenbögen und lieblichere Melodiebildungen erlauben sich die Leipziger beim Quintettspiel mit dem Pianisten Christian Zacha­rias. Im Klavierquintett op. 44 lassen sich die Streicher von Zacharias’ profunder Erfahrung und seinem Wissen um den romantischen Zauber an­stecken. Auch wenn die Macht der Referenz-Aufnahme (Rubinstein und
Guarneri-Quartett) noch deutlich zu spüren ist: Das neue Schumann-
Bild des 21. Jahrhunderts, losgelöst von alten ideologischen Verbrämungen, wird hier spürbar. Man möchte ein Bild des großen Dirigenten Felix Weingartner bemühen, der 1912 Schumann gegen Beethoven und Brahms in Schutz nahm, indem er bei Schumanns Œuvre von einem duftenden, blühenden Garten sprach, den keiner mit einem Gebirge (Beethoven und Brahms) vergleichen dürfe. In diesem Sinn kann diese herausragende Interpreta­tion eines so bedeutsamen Teils der Schumann’schen Kammermusik – neben den wissenschaftlichen Bemühungen im Rahmen des neuen Werkverzeichnisses, der Noten-Gesamtausgabe oder der Sammeltätigkeit der Schumann-Gedenkstätten in Zwickau und Düsseldorf – das Puzzle-Bild Schumanns vervollständigen helfen.
Katharina Hofmann

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