Strauss, Richard / Wilhelm Petersen

Klavierquartett c-Moll op. 13/Vier kleine Kompositionen für Klavierquartett / Klavierquartett c-Moll op. 42. In memoriam Bodo Hersen

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Edition Hera 02121, 2 CDs
erschienen in: das Orchester 02/2007 , Seite 94

Seinen Namen sucht man selbst in vielen Musiklexika vergeblich. Damit wäre der Stab über Wilhelm Petersen schon fast gebrochen – wenn es nicht seit den 70er Jahren eine Wilhelm-Petersen-Gesellschaft gäbe und eine engagierte Interpretenschar, die die Werke des 1890 in Athen geborenen und 1957 in Darmstadt gestorbenen Komponisten aufnimmt und damit der Öffentlichkeit zugänglich macht: ein lohnender Einsatz.
Das renommierte Álvarez-Quartett hat sich des c-Moll-Klavierquartetts angenommen, hat das Werk 2002 zuerst in Darmstadt aufgeführt, dann in München aufgenommen und nun erstmals auf CD veröffentlicht. Das Quartett ist gewissermaßen typisch für Petersens Vorgehen als Komponist, denn es entstand 1941/42 als Bearbeitung einer Violinsonate aus den 20er Jahren. Damals hatte auch Petersen mit den modernen Kompositionstechniken seiner Zeit experimentiert, kehrte jedoch bald wieder auf den Boden der Tonalität zurück und pflegte fortan einen polyfonisch verdichteten, auch melodisch reizvollen und dem Geist der Spätromantik verpflichteten Stil.
Dass er kein „Moderner“ war, dürfte für seine geringe Bekanntheit bis heute Ausschlag gebend sein. Darauf kann man einerseits erwidern: Die Kategorie des am Material gemessenen Fortschritts müsste spätestens seit der Postmoderne überholt sein. Andererseits sind Petersens Kompositionen bei genauerem Hinhören nur teilweise „anachronistisch“. Sein Umgang mit der Polyfonie zum Beispiel, seine Bevorzugung linearer Verläufe und die Entwicklung des Materials aus einer Keimzelle heraus erinnern stark an das Vorgehen bekannterer Zeitgenossen, etwa der Neuen Wiener Schule oder auch aus Osteuropa (Enescu, Bartók). Da war Petersen ein Kind seiner Zeit.
Die Interpretation von Carmen Piazzini (Klavier), Werner Grobholz (Violine), Bodo Hersen (Viola) und Peter Wolf (Cello) ist für sein c-Moll-Klavierquartett ein großer Glücksfall. Das Álvarez-Quartett spielt beispielhaft geschlossen, warm getönt, sensibel und transparent – und lässt vergessen, wie heikel der Abstimmungsprozess zwischen Streichern und Klavier eigentlich ist.
Spannend ist an dieser Publikation auch die zweite CD, die ein frühes Klavierquartett sowie mehrere kleine Kompositionen für diese Besetzung von Richard Strauss enthält. Spannend nicht zuletzt deshalb, weil man die Werke nur selten mit den bekannten Strauss-Idiomen, der süßlich-scharf gewürzten Harmonik, der Leichtfüßigkeit bei gleichzeitiger Melancholie in Verbindung bringen kann. Das Vorbild Johannes Brahms scheint hier deutlich durch, womit auch der Bogen zu Wilhelm Petersen geschlagen wäre, der zugleich in Richard Strauss ein Vorbild gesehen hat.
Berührend ist die Zueignung dieser CD: Sie ist Bodo Hersen gewidmet, dem Bratscher des Álvarez-Quartetts. Er ist 2004 gestorben.
Johannes Killyen