Josef Suk

Klavierquartett a-Moll op. 1

hg. von Zdenek Nouza, Urtext

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2013
erschienen in: das Orchester 01/2014 , Seite 73

„Es glänzt nicht nur durch Reichtum an dramatischen Gedanken, sondern auch die Durcharbeitung der wichtigsten Themen verrät überall einen ziemlich reifen Musiker, und falls es ihm vergönnt sein wird, dass sich sein Talent gebührend entwickelt, dann geben seine weiteren Arbeiten ganz sicher Anlass zu guter Hoffnung.“ Mit diesen Worten charakterisierte Antonín Dvorák in einem Gutachten an die „Böhmische Kaiser Franz Joseph Akademie der Wissenschaften, Literatur und Kunst“ das offizielle Opus 1 seines Kompositionsschülers Josef Suk (1874-1935). Von der Erweiterung chromatisch angereicherter, spätromantischer Harmonik mit polytonalen Schichtungen, die sich ab den 1920er Jahren in Suks Schaffen finden sollte, ist im Debütwerk des Siebzehnjährigen, dem 1891 zum Abschluss der Studienzeit am Prager Konservatorium komponierten und 1892 erstmals veröffentlichten Klavierquartett a-Moll, noch nichts zu bemerken.
Das dreisätzige Werk legt nicht nur Zeugnis von der großen Reife des jungen Komponisten ab, sondern gibt auch Aufschluss über sein Wissen um die Balance zwischen formaler Kontrolle und musikalischem Ausdruck. Darüber hinaus dokumentiert das rund zwanzigminütige Quartett aber auch Suks Gewandtheit im Umgang mit dem gewählten Instrumen-
tarium, der an vielen Stellen durch außergewöhnliches klangliches Raffinement gekennzeichnet ist. Dem anspruchsvollen, an einigen Stellen fast schon konzertant anmutenden Klavierpart stehen, von Suks Ausbildung als Geiger profitierend, sehr dankbar gesetzte Streicherstimmen gegenüber, aus denen der Violinpart durch seine Anforderungen an den Interpreten ein wenig hervorsticht. Obgleich die Streicher die emphatischen Höhepunkte der Musik vor allem durch einen in Oktavunisoni geführten Satz unterstreichen, lässt Suk ihnen an anderen Stellen viel Raum, um sich klangschön als Individuen und gleichberechtigte Dialogpartner des Klaviers in Szene zu setzen.
Von Zdenek Nouza betreut, wartet die kritische Urtextausgabe mit einem kenntnisreich verfassten Vorwort auf, das ausführlich in die Entstehungsumstände und Aufführungsgeschichte des für Suks weitere Karriere so wichtigen Werks einführt. Der Notentext stützt sich in erster Linie auf die vom Komponisten korrigierte Stichvorlage für die zweite, minimal überarbeitete Ausgabe aus dem Jahr 1914 und greift nur in seltenen Fällen auf weitere Quellen zurück. Die minimalen Korrekturen und Hinzufügungen des Herausgebers lassen sich in der Klavier-Spielpartitur durch eckige Klammern identifizieren und werden im Kritischen Bericht ausführlich erläutert, wo auch sämtliche erhaltenen und verschollenen Quellen beschrieben sind. Gewohnt sorgfältig und den Bedürfnissen der Praxis angepasst sind Notenbild und Satzspiegel der Ausgabe, und die übersichtliche, räumlich großzügige Anlage der Streicherstimmen lässt den Musikern genügend Zeit zum Umwenden der Seiten.
Stefan Drees