Haydn, Joseph

Klavierkonzerte Nr. 2, 9 & 11/Divertimento Es-Dur

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Ars Produktion ARS 38057
erschienen in: das Orchester 12/2009 , Seite 69

Dass ein Haydn-Jahr mit zahlreichen Neueinspielungen gewürdigt wird, liegt in der Natur der Sache – und der Schallplattenindustrie. Eine der Bemerkenswerteren darunter ist zweifelsohne die des Pianisten Caspar Frantz und des Solistenensembles Kaleidoskop. Wenn eine solche Aufnahme zudem die Karriere junger Künstler unterstützt, wie hier die von Frantz durch ein Stipendium der Deutschen Stiftung Musikleben, dann ist dies umso begrüßenswerter.
So konnte der gebürtige Kieler Frantz, der nach wie vor bei Matthias Kirschnereit in Rostock studiert, seine erste Solo-CD herausbringen. Hier führt er das Solistenensemble Kaleidoskop vom Flügel aus durch Haydns Klavierkonzerte und Divertimento. Von dieser Herausforderung in mehrfacher Hinsicht ist allerdings nichts zu spüren: Der Orchesterpart der drei Haydn-Konzerte klingt angenehm straff und doch flexibel, der Solist überzeugt neben spielerisch leichtem Ton mit einer überlegten dramaturgischen Anlage bis hin zu eigenen Kadenzen, die vor allem die selten zu hörenden Konzerte Nr. 2 und 9 zusätzlich aufwerten. Die für diese CD getroffene Auswahl gibt darüber hinaus einen Einblick in Haydns verschiedene Schaffensperioden bis hin zum reifsten Werk für Klavier und Orchester, dem späten D-Dur-Konzert mit dem bekannten „Rondo all’ungherese“.
Es ist eine wahrhaftige Freude, wie Caspar Frantz Haydns Musik als zeitlos und vielschichtig entdeckt und herausarbeitet, was unter ihrer vermeintlich gefälligen Oberfläche steckt, ohne sie jedoch zu sezieren. Alles klingt frisch und wie aus dem Moment heraus entstanden. Hier wird Zeitgeist geatmet, im sensiblen und vielfältigen Klang historischen Aufführungsverständnisses. Nur knapp 20 Instrumentalisten zählt das Solistenensemble. So hört jeder jeden, und alle sprechen gemeinsam in einer musikalischen Klangrede. Auch Frantz’ ausgezeichnete Kammermusikerfahrung, insbesondere an der Seite des Cellisten Julian Arp, ist hier deutlich zu spüren.
Das ist ein lust- und fantasievolles Spiel ohne Manierismen, klug und transparent gestaltet. In den langsamen Sätzen entfaltet Frantz ein ebenso spannungs- und farbenreiches Spiel. Mit dem Mut zum Innehalten verbindet sich das Aufspüren von Abgründen, von Spannungslöchern. Haydns klanglich auffallend empfindliche Musik kommt umso mehr zum Tragen, wenn ein Orchester wie das Solistenensemble Kaleidoskop mit weichem, akkurat ausbalanciertem Timbre jede Nuance und die Abstimmung mit dem Pianisten so feinfühlig wahrnimmt.
Was den Klang dieser Studioaufnahme betrifft, so stört bisweilen nur der ein wenig unnatürlich ausfallende und ausgedehnte Nachklang am Ende des ein oder anderen bewegten Satzes. Aber dies schmälert in keiner Weise den Gesamteindruck, der den Vergleich mit Einspielungen historischer Aufführungspraxis wie die eines Andreas Staier nicht zu scheuen braucht, zumal wenn einem der Klangcharakter eines modernen Flügels als vielschichtiger erscheint.
Christoph Guddorf