Debussy/Poulenc/Ravel/Françaix

Klavierkonzerte

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler Classic CD 93.302
erschienen in: das Orchester 10/2013 , Seite 74

Die Zusammenstellung auf der CD ist nicht nur einmalig, sondern besonders: Wo sonst finden sich auf engstem Raum vier Klavierkonzerte modernerer französischer Komponisten wie Claude Debussy und Maurice Ravel, Francis Poulenc und Jean Françaix? Außerdem gehört diese Gattung nicht gerade zu den Bevorzugten bei den Franzosen. Während das wohl populäre Concerto in G von Ravel öfter zu finden ist, sucht man bei Debussy vergebens. Schon allein, weil er 1889 sein Werk nicht Concerto, sondern Fantasie nannte. Der Hauptgrund aber, warum dieses überaus reizende, „mit pianistischer Eleganz“ komponierte Werk bislang beinahe unbekannt geblieben war, ist die späte Veröffentlichung im Jahr 1968 und die kritische Edition von 2007, welche der vorliegenden Aufnahme zugrunde liegt. Da es kaum veröffentlichte Beispiele gibt, setzt Pianist Florian Uhlig aufgrund seines anmutig und atmosphärisch wirkenden Anschlags auf alle Fälle hohe Maßstäbe. Darüber hinaus trägt das brillant und sehr transparent aufspielende Orchester, das Uhlig einen samtenen Klangteppich auslegt, nicht nur hier zu der gelungenen und sehr überzeugenden Einspielung bei.
Bei Françaix allerdings lohnt sich wohl kaum das Hinsetzen, so kurz und bündig ist das immerhin viersätzige Concertino für Klavier und Orchester mit noch schmaleren Ausmaßen als Sergej Prokofjews Symphonie classique. Das jugendliche Werk, das Françaix mit 20 Jahren schrieb, ist in dieser Aufnahme gerademal so lang wie Ravels Kopfsatz seines Klavierkonzerts: 8’23”. Trotzdem ist es ein Gewinn, sich das vor heiterem und typischem, nicht immer ganz ernst zu nehmendem Esprit sprühende Werklein anzuhören. Solist und Orchester unter der Leitung von Pablo Gonzáles fangen den Charme dieser vergnüglichen Musik bestens ein. Nicht von dieser minimalistischen Knappheit ist Poulencs Concerto pour piano et orchestre FP 146. Obwohl später als Françaix’ Concertino erst im Jahr 1949 entstanden, ist Poulencs Werk ebenso typisch französisch mit burschikosem Hintertreppenwitz und liebenswürdigem Charme. Kurioserweise ist das erste Thema ziemlich nahe am Thema des vierten Satzes der „Blütenuhr“ (L’Horloge de Flore) für Oboe und Orchester – ausgerechnet von Françaix. Zufall oder Reminiszenz? Unabhängig davon spielt Uhlig auch hier seinen Klavierpart mit sicherer Technik, schwebender Leichtigkeit und perlendem Anschlag.
Die Idee, Ravels Klavierkonzert als Höhepunkt und Abschluss auf der CD hintan zu setzen, den Kreis mit feinsinnig-schwebender Musik des versinkenden Impressionismus zu schließen, ist sehr gut. Nach so viel lockeren und augenzwinkernden Spielereien, so gelungen sie auch wirken, findet die CD hier, insbesondere im sehnsüchtigen langsamen Satz, einen tiefen und bezaubernden Ausklang. Wirkt der Kopfsatz vielleicht noch etwas hektisch, so gehört eben dieser Mittelsatz zu dem Schönsten und Anrührendsten, was die Aufnahme zu bieten hat – und was man sich gleich zweimal hintereinander anhören kann.
Werner Bodendorff