Beethoven, Ludwig van / Richard Strauss

Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37 / Ein Heldenleben op. 40

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Arthaus Musik 101 683
erschienen in: das Orchester 09/2013 , Seite 86

Von den ersten Takten dieses Livemitschnitts aus dem Jahr 2011 (leider erfährt man keine Details) überträgt sich die Brillanz des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unmittelbar, der warme, präzise Klang eines der besten deutschen Klangkörper ist offenkundig, auch wenn die Selbstständigkeit der zweiten Violinen durchaus noch steigerungsfähig wäre. Dass Mitsuko Uchida dem Orchester eine mindestens gleichwertige Partnerin ist, überrascht nicht im geringsten – die feine Dynamisierung, die differenzierte Phrasierung, die vielfältigen Klangfarben, all dies erweist sie als Pianistin höchsten Grades. Die Tempi und Klangfarben beim Beethoven-Konzert gehören zu dem Besten, was man heute im Bereich der nicht-historischen Aufführungspraxis erwarten darf.
Auf der DVD wirken sowohl Uchida als auch Mariss Jansons nicht selten wie Getriebene, die Spannung des musikalischen Erlebnisses, die das Orchester weitaus weniger ausstrahlt, überträgt sich auch visuell (besonders Uchida ist außerordentlich beeindruckend). Der langsame Satz gerät zur intimen, gleichzeitig dennoch heroischen Expression, das Finale zum emotional tiefsinnigen, die Spannungen langsam aber stetig lösenden Höhepunkt. Das Miteinander von Solistin und Orchester ist eine wahre Freude.
Als Zugabe gibt Uchida die Sarabande aus Bachs Französischer Suite G-Dur BWV 816, ein Musterbeispiel postmoderner, gleichzeitig „romantisierender“ Bach-Interpretation, voll von emotionalem Tiefgang und feinsten Valeurs (leider mit ein paar Publikumsnebengeräuschen zu viel). Dass der Zuschauer nach dieser Zugabe kaum zu Atem kommen kann, befremdet, zeichnet doch der legendäre Brian Large für die Bildregie verantwortlich, sonst für sein Feingefühl berühmt.
Deutlich weniger überzeugend in der interpretatorischen wie auch der bildlichen Umsetzung gerät Richard Strauss’ Ein Heldenleben – immer wieder zielt die Kameraeinstellung auf Instrumentengruppen, die an dieser Stelle gar nicht von zentraler Bedeutung sind. Ebenso ist die Interpretation zwar brillant, erkundet aber nicht die Tiefe des Werks, erfasst nicht die formale, im besten Sinne symphonische Struktur. Die Klangfarben der Komposition werden mit herrlich strahlender Leuchtkraft dargeboten, doch bleibt Strauss’ kompositorisches Konzept viel zu wenig erforscht; wieder einmal rächt es sich, die außermusikalischen „Implikationen“ der Musik überzubewerten. Offenbar hat auch der Booklet-Autor die Essenz der Komposition nicht verstanden, er bezieht sich ausschließlich auf überlieferte Äußerungen des Komponisten, mit denen dieser dem wirklichen Verständnis des Werks de facto entgegengewirkt hat, nicht jedoch auf die Substanz des Werks selbst.
Jürgen Schaarwächter