Mozart, Wolfgang Amadeus/Luigi Boccherini/Felix Mendelssohn Bartholdy
Klavierkonzert Nr. 24 KV 491 c-Moll/Sinfonie G 506 d-Moll/Sinfonie Nr. 1 op. 11 c-Moll
Es gibt CDs, die bei Musikliebhabern, zu denen ja auch Rezensenten gelegentlich gehören sollen, sehr grundsätzliche Fragen aufwerfen. Zum Beispiel diese: Warum gibt es die CD überhaupt? Auch für die vorliegende Veröffentlichung des Leipziger Kammerorchesters ist eine Antwort nicht leicht gefunden.
Fassen wir die Fakten zusammen: Da ist ein Orchester, das im Wesentlichen aus Mitgliedern des Gewandhausorchesters besteht. Wenn sich Musiker dieses Kalibers außerhalb ihrer üblichen Dienste zu kleiner besetzten Ensembles formieren, dann kann man von überdurchschnittlicher Qualität des Zusammenspiels und des Klangbilds ebenso ausgehen wie von einem leidenschaftlichen Zugriff, der den entscheidenden Funken überspringen lässt. Mit dem dänischen Dirigenten Morten Schuldt-Jensen steht dem Leipziger Kammerorchester ein Dirigent vor, der sich sowohl in seiner skandinavischen Heimat als auch bei der Akademie für Alte Musik Berlin im inzwischen weiten Feld der historischen Musizierpraxis getummelt hat. Daneben ist er laut Auskunft des Booklets bei diversen größeren Orchestern regelmäßiger Gast. Franz Vorraber ist ein mehrfach international ausgezeichneter Pianist aus Österreich, der in direkter Folge der deutsch-österreichischen Klaviertradition steht und schon deshalb für ein Mozart-Konzert geradezu prädestiniert ist.
So weit, so gut. Unter diesen an sich optimalen Vorzeichen entsteht nun eine CD-Produktion, die als Live-Mitschnitt ein Konzert abbildet, das am 2. März 2004 im Gewandhaus stattgefunden hat. Man hört makelloses Musizieren, und die störenden Nebengeräusche sind weitgehend eliminiert worden. Nun mag das angebotene Programm im Saal seine Wirkung getan haben, als CD funktioniert es nur sehr bedingt. Mozarts c-Moll-Konzert und Mendelssohns erste Sinfonie sind beileibe keine Raritäten, und selbst Boccherinis La casa del Diavolo-Sinfonie gehört zu den Stücken des italienischen Kleinmeisters, die noch am ehesten das Interesse der Interpreten finden. Der Repertoirewert der eingespielten Stücke tendiert also gegen Null.
Auch der Geist der Interpretation trägt insgesamt wenig zur Steigerung der Attraktivität bei. Dass hier auf hohem Niveau musiziert wird, wurde schon erwähnt, allerdings ist der zugrunde liegende Ansatz eher Mainstream. Vor allem die Stücke von Mozart und Mendelssohn haben schon ganz andere Darstellungen erlebt, und selbst ein Boccherini, dem die Ausführenden besondere Sorgfalt angedeihen lassen müssen, wenn seine Musik über 08/15 hinausgehen soll, ist schon detailverliebter gespielt worden. Hätte man wenigstens die Reihenfolge auf der CD analog zum Konzertprogramm belassen (der Fehldruck der Trackangaben belegt die möglicherweise ursprüngliche Absicht), dann hätte man die Produktion wenigstens als hochwertigen und unterhaltsamen Background durchlaufen lassen können. Aber ein Klavierkonzert als Opener, gefolgt von zwei Sinfonien da bleibt selbst eine sinnvolle Programmdramaturgie auf der Strecke. Möge diese CD im Gewandhaus-Shop als stilvolles Souvenir für die Besucher künftiger Konzerte des Leipziger Kammerorchesters ihr angemessenes Dasein finden.
Arnd Richter