Tschaikowsky, Peter / Sergej Rachmaninoff
Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll / Klavierstücke
Die Meinungen über den Pianisten Arcadi Volodos, der innerhalb kürzester Zeit eine kometenhafte Karriere machte, gehen weit auseinander. Legitimer Erbe von Horowitz auf der einen, nur einer von unzähligen Hochleistungsvirtuosen ohne größeren musikalischen Anspruch auf der anderen Seite so könnte man die Pole dieser Auseinandersetzung definieren. Sicher ist, dass der russische Pianist seine größten Erfolge mit hochvirtuosem Repertoire errang, oft mit Transkriptionen, die von Vladimir Horowitz populär gemacht wurden. Seine Versuche mit Schubert-Sonaten hingegen, denen er sich immer wieder im Konzertsaal (und auch im Aufnahmestudio) widmet, können, gemessen an der Phalanx bedeutender Interpreten dieser Werke, doch höchstens eine Außenseiterrolle spielen.
Auf seiner jüngsten, als Hybrid-SACD erschienen CD widmet er sich nun wieder russischem Virtuosenrepertoire, bei dem man ihm kaum die Kompetenz absprechen kann. Das b-Moll-Konzert von Peter Tschaikowsky, das bei Aufführungen in der Berliner Philharmonie mitgeschnitten wurde, erfährt bei Volodos eine manuell überlegene, musikalisch durchaus differenzierte Deutung, ohne dabei die große Konkurrenz an sehr guten Aufnahmen vergessen machen zu können. Er spielt beileibe nicht nur effektvoll, tönt, wie im zweiten Satz, den Klang fein ab, ist um Korrespondenz mit den brillanten, unter Seiji Ozawas Leitung mit ihren Pfunden wuchernden Berliner Philharmonikern bemüht. Als virtuoser Grenzgänger zeigt er sich aber nicht: Volodos bewegt sich durchaus in der bei diesem Werk gewohnten Konvention. Manches hätte man sich etwas einfallsreicher, mit mehr Biss gespielt vorstellen können.
Dafür bieten die Berliner eine eherne Blechbläserphalanx, aber auch geschmeidige Holzbläsersoli (Soloflöte), die den Rang des Orchesters ebenso unterstreichen wie die Kultur der Streicher. Die Auswahl der beigegebenen Solowerke von Sergej Rachmaninoff, den Préludes in Ges-Dur op. 23/10 und G-Dur op. 32/5, Moment Musical es-Moll op. 16/2, Daisies op. 38/3, der Melodie E-Dur op. 3/3, dem Oriental Sketch sowie der von Volodos gefertigten Bearbeitung der Polka italienne zeigen den Musiker nicht nur als Pianisten erster Ordnung, der keine manuellen Grenzen zu kennen scheint. Volodos kann bei allem Farbenreichtum seines Spiels dem jeweiligen Ausdruckscharakter der Stücke gerecht werden. Nie wirkt sein Spiel überzogen oder nur auf Wirkung hin ausgelegt. Zumindest hier ist Volodos ganz in seinem Element.
Walter Schneckenburger