Klang der Welt: Spanien

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Deutschlandradio/Membran Music Ltd. 60177
erschienen in: das Orchester 07-08/2008 , Seite 64

Klang der Welt ist der Titel einer seit 1998 erfolgreichen Kammermusikreihe des Orchesters der Deutschen Oper Berlin mit jeweils länderbezogenen Programmen. In der Spielzeit 2004/05 wurden unter dem Trompeter Martin Baeza Rubio als Dirigent Werke von sieben spanischen Komponisten vorgestellt. In der Saison, deren Kern diese CD lebendig werden lässt, gab es mehr Uraufführungen im Beisein der Tonsetzer als je zuvor. Allerdings waren nicht alle Werke brandneu, es gab auch Begegnungen mit älteren Raritäten oder erst vor wenigen Jahren entstandener Musik.
Das Klaviertrio Trois Pièces Originales op. 1 von Enrique Fernández Arbós (1863-1939) aus dem Jahr 1886 verbindet Folklore-Bezüge mit der Tonsprache des 19. Jahrhunderts. Der serenadenhaft unterhaltsame Bolero wartet mit einer markant rhythmischen Themenlinie auf, in der rhapsodisch-expressiven Habanera werden die metrischen Akzente dank stilvollem Rubato und starker Dynamik zur Geltung gebracht. Bei Madrigal und 5 sephardische Lieder (2004) von Lorenzo Martínez Palomo (*1938) für Sopran und Harfe ist die bei vielen Stücken dieser CD erkennbare Verpflichtung der Autoren gegenüber spanischer Volksmusik besonders stark, in diesem Fall der Flamenco-Tradition. Mit dem lyrisch-sensibel gesungenen Madrigal stellt sich die ausgezeichnete Sopranistin Ofelia Sala als Hauptinterpretin der CD vor. Zwei ruhevolle Wiegenlieder und eine Romanze von großer Ausdruckskraft sind Höhepunkte des sechsteiligen Zyklus. Die Homenaje a García Lorca (2005) von Bernardo Adam-Ferrero (*1942) stellt eine Solooboe vor ein quasi orchestral eingesetztes Streichquartett. Die absolut tonale, wohlklingende, stark auf Melos abgestellte Musik ist eine geeignete Würdigung für einen Poeten wie Lorca.
Kerzenlicht (2005) von Alfredo Aracil (*1954) für Sopran und drei Bläser sowie Harfe ist auf der CD das erste von drei Werken mit einer Verpflichtung gegenüber der Avantgarde. Dies nicht nur, weil der Text aus drei Sätzen aus Marie Pappenheims Libretto zu Schönbergs Erwartung besteht. Derweil hat die stark atmosphärische Musik nichts von einer Schönberg-Travestie. Die in reduzierter Faktur transparente Partitur Aracils ist eher als freitonal denn als atonal zu bezeichnen, da die Gesangsstimme immer wieder auf stabilen tonalen Zentren verharrt. Außer der Sopranistin zeichnet sich auch das Ensemble durch das gerade bei derartiger Musik erforderliche präzise, kultivierte Spiel aus. Pere Casas (*1957) Margrupim ist ein Solovehikel für Marimba und vier Bläser (mit starken Anteilen der Trompete) sowie Klavier. Die kaleidoskopartig farbige Musik klingt nach Maßstäben der Avantgarde fast noch klassisch-modern. Das gilt in gewissem Maß auch für Jadines de Adonis (2004) von José María Sánchez-Verdú (*1968), der geräuschhafte Elemente einbezieht, auch für die brillante Sängerin. Das vielschichtige Werk auf einen Text von Ovid wirkt wie eine spannende Kurzoper. Tiento de Falsas (1996) von José Peris Lacasa (*1924) rundet diese schöne CD ab mit einem klingenden Denkmal für den spanischen Barockmeister Aguilera, einen Pionier der Chromatik.
Günter Buhles