Schostakowitsch, Dmitri
Kammersinfonien op. 110a & 118a
Die Streichquartette Dmitri Schostakowitschs gehören zu den zentralen Beiträgen dieser Gattung im 20. Jahrhundert. Neben den Originalfassungen haben aber auch die Bearbeitungen von Rudolf Barschai als Kammersinfonien ihren Platz im Repertoire gefunden. Insgesamt hat Barschai, der zuerst bei Schostakowitsch studierte, später aber auch in freundschaftlichem Kontakt mit ihm stand und sich, was seine Einspielungen der Sinfonien des russischen Komponisten mit dem WDR Sinfonieorchester (Brillant Classics, 11 CDs, MMK 6324) unterstreichen, mit dem Personalstil Schostakowitsch sehr genau auseinander gesetzt hat, fünf Streichquartette als Kammersinfonien bearbeitet. Für das achte Streichquartett c-Moll und das zehnte in As-Dur wählte er eine reine Streicherbesetzung. Ruben Gazarin und sein Württembergisches Kammerorchester Heilbronn musizieren diese Kammersinfonien op. 110a und 118a gemeinsam mit der Fassung der Arie der Katherina aus der Oper “Lady Macbeth von Mzensk” von Christian Sikorski unter dem Titel Adagio auf einer sehr ansprechenden CD.
Seit der armenische Geiger und Dirigent 2002 das Württembergische Kammerorchester übernommen hat, formte er den Klang des Streichorchesters nach seinen Intentionen. Von einem kraftvoll-farbreichen Bassfundament ausgehend, entwickelt sich ein dynamisch fein abgestufter, nie zu dick wirkender Streicherklang, der zudem von den sehr gut besetzten ersten Pulten des Ensembles profitiert.
Seine Affinität zur russischen Musik hat Gazarin mit den Heilbronnern schon mit einer Tschaikowsky-CD mit der Streicherserenade und dem Souvenir de Florence (Bayer SACD 1003890) unterstrichen. Die nun vorliegende Schostakowitsch-Einspielung überzeugt insgesamt sogar noch mehr. Dies liegt einerseits am im Vergleich zur Tschaikowsky-CD weniger künstlich wirkenden Klang der Einspielung, andererseits auch an dem sehr geschlossenen, nie nur routiniert klingenden Musizieren des Württembergischen Kammerorchesters. Dabei gelingt es dem armenischen Orchesterleiter auch in der stark autobiografisch geprägten Kammersinfonie op. 110a persönliche Bezüge und die Großform des Werks auszutarieren. Das musikalische Monogramm Schostakowitschs D-Es-C-H durchzieht das Werk und wird ebenso wie die weiteren thematischen Bezüge zum Gesamtwerk des russischen Komponisten in dieser Einspielung in den Gesamtverlauf souverän einbezogen. Über die biografischen Bezüge hinaus lässt Gazarin sehr flexibel, intensiv, aber nie auf vordergründigen Effekt hin musizieren.
Ausgefeilte dynamische Differenzierung, eine Vielfalt an Klangfarben und ein natürlicher Musizierfluss prägen die CD, die auch der mehr lyrisch geprägten Kammersinfonie op. 118a in jedem Takt gerecht wird.
Walter Schneckenburger