Robertson, Karl-Olof
kammarmusik chamber music
Zweifelsohne gehört Karl-Olof Robertson (1918–2009) zu jenen Musikern und Komponisten, die ohne das Engagement einer einzelnen Person oder gar eines Familienmitglieds (in diesem Fall des selbst als Musiker tätigen Sohnes) rasch in den Strudel der Musikgeschichte geraten und durch das letztlich doch allzu grobmaschige Netz enzyklopädischen Wissens fallen würden. Die mit einer solchen Rezeption verbundenen Mechanismen lassen sich (ansatzweise) leicht benennen: Weder ein öffentlich wirksamer Skandal noch eine irgendwie herausragende Komposition sorgte für ein nachhaltiges Presseecho, weder die Anstellung noch der Ort eines langjährigen Wirkens erscheinen traditionsverhaftet oder mondän, das kompositorische uvre lässt sich unter stilistischen Gesichtspunkten kaum als progressiv beschreiben und ist in gedruckten Ausgaben (wenn überhaupt) nur schwer greifbar. Das schöpferische Schwergewicht liegt zudem auf Gattungen und Besetzungen, die aus dem Blickwinkel einer vermeintlich zeitgenössischen Ästhetik als zumindest zweifelhaft gelten müssen.
All diesen hier nur katalogartig genannten Kriterien wird auf eigenartige Weise die Biografie und das Werk von Karl-Olof Robertson gerecht, der nach seinem Studium am Konservatorium der Königlichen Schwedischen Musikakademie (dem Vorläufer der 1971 gegründeten Musikhochschule) seit 1952 als Kirchenmusiker in Huskvarna wirkte einer Stadt am Vättern, die mehr durch die Produktion von Kühlschränken und Wohnwagen denn durch herausragende musikalische Aktivitäten Berühmtheit erlangte. Umso größer sind an solchen Orten freilich die Herausforderungen an die eigentlichen Kulturträger: mithin an den Organisten und Chorleiter oder den sich redlich mühenden Lehrer. Entsprechend widmete sich Robertson kompositorisch vor allem der geistlichen Musik (zehn seiner Melodien haben Eingang in das schwedische Gesangbuch von 1976 gefunden). Darüber hinaus schrieb er aber auch Orchesterwerke und Kammermusik in einem unproblematischen, nüchtern formulierten romantischen Stil, den er sich eher bei Dag Wirén abgelauscht hatte als bei seinem eigentlichen Lehrer Lars-Erik Larsson, dem wohl wichtigsten nordischen Vertreter einer vom Neoklassizismus beeinflussten Moderne.
Und also bietet die vorliegende CD nur insofern Überraschungen, als man doch einmal mehr über die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen nachzusinnen angeregt wird. Beispielhaft dafür steht etwa das Konzertpräludium für Klaviertrio aus dem Jahr 1985, das man allenfalls (und mit Blick auf die Eigenarten der skandinavischen Musikgeschichte) in der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts verorten würde. Andererseits handelt es sich bei den Traditional Chorals (1992) wegen ihres innigen Tonfalls um so hinreißende, leicht spielbare Miniaturen, dass man dieses Werk jedem Schülerensemble auf das Pult stellen sollte.
CD und Notenmaterial können erworben werden über Anders Robertson, der selbst als Cellist bei den Göteborger Sinfonikern tätig ist.
Michael Kube