Naske, Elisabeth
Kamfu. “Wie das Leben so spielt”
für Viola solo
Die österreichische Komponistin und Cellistin Elisabeth Naske (*1963) ist mit Kompositionen für Kinder bekannt geworden. Im Auftrag der Jeunesse Österreich vertonte sie das Kinderbuch Das kleine Ich bin ich, im Auftrag der Wiener Volksoper hauchte sie der feuerroten Friederike von Christine Nöstlinger ein Kinderopernleben ein. Es folgte 2007 Die Omama im Apfelbaum für die Wiener Staatsoper und 2008 Die rote Zora fürs Luzerner Theater. Auch Kamfu, im Auftrag des Luxemburger Casinos geschrieben und 2009 daselbst durch die luxemburgische Violaprofessorin Danièlle Hennicot uraufgeführt, hat ein Kinderbuch zur Inspirationsquelle, nämlich Kamfu mir helfen?, im selben Jahr beim Verlag Antje Kunstmann erschienen. Indes ist dieser Zwölfminüter beileibe keine leichte Kost. Wettbewerbsteilnehmern könnte er in der Runde Zeitgenössisches Werk die Schweißtropfen auf die Stirn und wohl noch so manchem bratschenden Eleven die leise Verzweiflung in die Augen treiben.
Kamfu beginnt majestätisch, stellt ein elefantös und leicht neben der Spur trottendes Thema vor. Eine bolerohafte Rhythmusfigur, mit einer großen Septime etwas linkisch heraustrompetet, beherrscht die Szenerie und ist im Folgenden in vielerlei Abwandlungen immer wieder erkennbar. Auch wer das erwähnte Kinderbuch nicht kennt, in dem ein Elefant mit verknicktem Rüssel und folglich Sprachproblemen Rat bei drei rüsseltragenden Kollegen (einem Ameisenbären, einem Schwein, einer Fliege) sucht, versteht: Kamfu ist Programmmusik, ist eine kurzweilige Erzählung mit Finten, Gefühlsumschwüngen, trompetösen Lamentosi, schwindelerregenden Entknotungs-Arpeggien, Wuttränchen und insektuös sirrenden Zweiunddreißigstelketten, die in gefährlich summende Triller münden. Im Buch scheint die Sache am Ende aber gut auszugehen; denn das erwähnte Thema kehrt auf Seite 14 und 15 stolz und triumphierend zurück und mündet dem Bolero-Finale zuerst nicht unähnlich in ein grandioses Forte, das insistiert und sich immer weiter steigert. Dass das Stück dennoch im Pianissimo endet, ist ganz grafisch zu denken: Wohl tappen die Protagonisten in den fernen Sonnenuntergang.
Wie das Leben so spielt ist der Untertitel des kleinen musikalischen Spaßes, der allerhand Herausforderungen technischer und vor allem gestalterischer Art bietet. Mehr als ein Stück für Vorspiele, Wettbewerbe und kleine Konzerte will es wahrscheinlich gar nicht sein; wer in musikhistorischen Dimensionen denkt, würde es überfordern und missverstehen. Nein, Kamfu ist ein handwerklich lustvoll durchgearbeitetes Erzähl-Stückchen; keinem Zuhörer zwischen zwölf und siebzig, musikerfahren oder nicht, dürfte die Zeit dabei lang werden. Wer bietet mehr?
Martin Morgenstern