Müller, Kai H.

Junge Ohren in Osnabrück

Neuer europäischer Wettbewerb für musikalische Ideen und kreative Köpfe "YEAH! Young EARopean Award"

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 02/2012 , Seite 58

„YEAH!“, das steht für den „Young EARopean Award“, der 2011 erstmalig unter der Federführung des netzwerk junge ohren in Osnabrück vergeben wurde. Die Preisverleihung war Abschluss einer Woche voller Musik, die neue Einblicke in die Welt der Musikvermittlung bot. Gen Ende wurden diese sogar zu Ausblicken, denn so viel kann bereits gesagt werden: Wiederholung und Fortsetzung sind von den Akteuren internationaler wie regionaler Herkunft, aber auch vom Publikum von nah und fern unbedingt gewünscht.
Die Motivation für die Ausrichtung des Festivals liegt in der festen Überzeugung, dass Musik von weitreichender gesellschaftlicher Bedeutung ist. Sie ist für die Macher die Sprache, die sprichwörtlich verbindet und die – so eine der Grundauffassungen des Festivals – „unmittelbar zum Menschsein gehört“. In seiner geschickten Dramaturgie verknüpfte das Festival mit seinem ganzheitlichen Ansatz reflexive, künstlerische und kommunikative Ebenen. Thinktank, Podiumsdiskussion und Symposium standen so neben Präsentationen, Konzerten und Schulworkshops.
In der Preisverleihung am 19. November im Osnabrücker Schloss fand das Festival, das in diesem Jahr ausnahmsweise auch die Verleihung des „junge ohren preises“ beherbergte, in Anwesenheit von Prominenz aus Politik und Kultur schließlich seinen Höhepunkt. Es feierte nicht nur die Preisträger, sondern auch die zum Teil von weit angereisten Nominierten. Diese waren während der Woche gleich mehrfach in das quirlige Festivalgeschehen involviert: Sie waren potenzielle Preisträger und Ausführende in Konzerten und Workshops, waren aber auch interessiert im Publikum bei den Darbietungen der Kollegen zu finden.
Die Stiftung Stahlwerk Georgsmarienhütte mit ihrem Vorsitzenden Hans-Jürgen Fip zeichnet als Hauptsponsor neben der Stadt Osnabrück maßgeblich für den Erfolg des „YEAH!“ verantwortlich. „Innovative Musikvermittlung als Beitrag zum gesellschaftlichen und sozialen Miteinander“ – so formuliert die Stiftung eines der Ziele dieser Woche und verweist damit auf ein Charakteristikum des Festivals. Es ging nicht nur um eine Bestandsaufnahme, sondern auch um das Neue, um Perspektiven, die sich aus dem Status quo ergeben. Was hier geboten wurde an Zugangsmöglichkeiten zur Musik, aber auch an Reflexionen auf hohem Niveau, ist selten in einer solch gebündelten Form anzutreffen. Unter dem Titel „Sound Perspectives“ gaben zum Beispiel Künstler, Wissenschaftler und Produzenten aus Disziplinen wie der Musikwissenschaft, der Architektur und der Akustik Einblicke in die Welt der Produktion und der Entstehung von Klängen. Der Suche nach Klängen der Umwelt und experimentellen Wegen zur Musik hatten sich auch die 70 Schülerinnen und Schüler dreier Schulen Osnabrücks gestellt, die ihre kompositorische Auseinandersetzung unmittelbar im Anschluss an die Konferenz präsentierten. In ihrem abwechslungsreichen Konzert verwandelten sie den Konferenzraum in einen Konzertsaal, in dem sich Konferenz- und Konzertpublikum durch alle Altersgruppen mischten.
Und abermals nahtlos ging es weiter: Denn kaum dass die Schülerinnen und Schüler fertig waren, so öffneten sich auch schon die Türen und der Saal wurde geflutet mit Beats der dänischen „BodyRhythm Factory“, deren Mitglieder so ziemlich auf jedem Gegenstand, der ihnen in die Finger kam, ihre Körper eingeschlossen, schier atemberaubend musizierten. Dass es auch durch­aus selbstkritisch und ironisch gehen kann, zeigte am Tag der Preisverleihung die Podiumsdiskussion zwischen Rolf Zuckowski und Dieter Kosslick, die um den Sinn und Unsinn von Wettbewerben kreiste – wenige Augenblicke, bevor die Preise an die fünf Gewinner aus über 165 Bewerbern aus mehr als 30 Ländern vergeben wurden.
Verschiedene Spielstätten boten den Akteuren während der Festivalwoche künstlerisches Obdach. So waren nicht nur das Osnabrücker Schloss und die Bühnen des Theaters Austragungsorte, sondern auch die schulischen Bauten der Stadt, das Felix-Nussbaum-Haus, das Alando Palais, das Lutherhaus und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt. Diese war es auch, die mit dem Projekt „Hörbare Umwelten“, eben jenem Schulprojekt, das im Anschluss an die „Sound Perspectives“ präsentiert wurde, einen umfangreichen eigenen Beitrag zum Festival beisteuerte. Kern des Projekts war ein mehrwöchiger „Kompositionsprozess“, der alle Schülerinnen und Schüler in eine intensive Auseinandersetzung mit den Klängen ihrer Stadt bis hin zur musikalischen Umsetzung dieser Erfahrung führte.
Dass die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, immerhin eine der größten Stiftungen der Bundesrepublik, mit an Bord war, zeigt – neben der Berichterstattung in Print, Funk und TV – die Relevanz, die dem Festival zugemessen wurde. Auch wenn nicht alle Veranstaltungen ausverkauft waren, so kann das Festival doch als Erfolg verbucht werden. Denn neben den musikalischen Beiträgen war es für die Akteure sowohl eine willkommene Möglichkeit als auch dringende Notwendigkeit, sich weiter zu vernetzen, sich Inspirationen zu holen und hörend zu schauen, was alles an Musikvermittlung möglich sein kann. Die frohe Botschaft am Ende der Woche: „YEAH!“ wird es wieder geben! Wann? Ginge es nach dem Zuspruch aller Beteiligten, so lieber heut als morgen, lieber in zwei als in drei Jahren. Das aber bleibt am Ende mit Spannung abzuwarten.

www.yeah-festival.de

www.jungeohren.com