Damijan Močnik

Johannespassion

Siobhan Stagg (Sopran), Lydia Teuscher (Sopran), Attilio Glaser (Tenor), Gabriel Rollinson (Bassbariton), Slowenischer Philharmonischer Chor, Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Ivan Repušić

Rubrik: CDs
Verlag/Label: BR Klassik 900343
erschienen in: das Orchester 9/2023 , Seite 68

„Wer Johannespassion sagt, meint Bach.“ Dulde sie doch „kaum Vergleichbares“ neben sich, beginnt der Werkkommentar im Beiheft zur BR-Studio-Aufnahme der 2011 für den Slowenischen Rundfunk geschriebenen Johannespassion von Damijan Močnik. „In neuerer Zeit“ lässt der Autor gelten: Hugo Distlers Choralpassion, Frank Martins Oratorium Golgotha, Pendereckis Lukaspassion und Arvo Pärts lateinische Passio. Von dem Diptychon Passion und Auferstehung Jesu Christi der Russin Sofia Gubaidulina, die Johannes-Evangelium und Johannes-Offenbarung verschränkt, will er ebenso wenig wissen wie von Wolfgang Rihms Passions-Stücken nach Lukas. Wobei die Initiative „Passion 2000“ der Internationalen Bachakademie Stuttgart zwei weitere Gattungsgeschwister hervorbrachte: La Pasión según San Marcos des Argentiniers Osvaldo Golijov und die Water Passion after St. Matthew des in den USA lebenden Chinesen Tan Dun.
Dass der slowenische Chordirigent und Komponist Damijan Močnik sich angesichts so respektgebietender „Vorgeburten“ nicht scheute, eine Passio Domini nostri Iesu Christi secundum Ioannem in die Welt zu setzen, zeugt von einigem Selbstvertrauen. Das sich freilich als berechtigt erweist. Verlässt den Hörer doch während der 60-minütigen, in Engelsgesang eingefassten Erzählmomente, dramatischen Szenen und kontemplativen Inseln die gespannte Aufmerksamkeit nicht einen Augenblick. Liest man noch dazu, was der Kommentator zur Anlage und Dramaturgie des Werks mitzuteilen weiß, so stellt sich ein Kunsterlebnis ersten Ranges ein.
Die Weisung Jesu an seine Jünger beim letzten Abendmahl – „Liebet einander!“ – ist für den Komponisten ein Kerngebot christlicher Ethik; weshalb er sie zwiefach herausstellt: am Ende des „Festum paschale“, wo sie biblisch hingehört, und im Schlussteil der Passion, den er mit „Amor in aeternum“ überschreibt.
Ähnlich wie Arvo Pärt oder auch Sofia Gubaidulina zehrt Močnik in seiner Johannespassion vom Geist des Cantus planus und früher Formen der Mehrstimmigkeit. Zahlensymbolisch bevorzugt er die Sechs, die als Numerus perfectus auf die Menschwerdung Gottes verweist: sechs Sätze, sechs Sologesangsrollen – zwei Soprane (Erzähler, Engel), zwei Tenöre (Petrus, Pilatus), ein Bassbariton (Jesus) und ein Bass (Hauptmann) –, Kaskaden aus sechs Percussion-Schlägen.
Meisterlich, wie Ivan Repušić, der opernerfahrene kroatische Chefdirigent des Münchner Rundfunkorchesters, die Vokalsoli, Chorstimmen, Orchesterparte und Orgeltöne zu höherer Einheit bindet. Ungeheuerlich das geile Verlangen des Mobs, den Heiland ans Kreuz zu schlagen. Lutz Lesle

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