Dessau, Paul

Jewish Dance

für Violine und Klavier, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2005
erschienen in: das Orchester 10/2005 , Seite 78

Paul Dessau ist uns in erster Linie bekannt durch seine enge Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht. Einige Stücke des Dichters vertonte er als Opern (Puntila, Die Verurteilung des Lukullus), zu anderen komponierte er Bühnenmusiken. Dessaus persönliches Schicksal ähnelt in vielem demjenigen Hanns Eislers. Als Jude emigrierte er 1933 nach Frankreich und 1939 in die USA und kehrte 1948 nach Deutschland zurück, ging allerdings seiner sozialistischen Überzeugungen wegen in die DDR und starb 1979 in Ost-Berlin. Wie im Fall Eisler auch blieb im Westen die Wahrnehmung seiner Künstlerpersönlichkeit und seines Werkes bestimmt und getrübt durch die Unterordnung des Komponisten unter die kulturpolitische Doktrin der DDR, den „Sozialistischen Realismus“. Und ebenfalls wie bei Eisler wird dieses Verdikt – begabter Musiker, der sozusagen als Ulbrichts Hofmusikant seine künstlerische Freiheit, Individualität und Inspiration auf dem Altar der Staats-Ideologie opfert – auch Dessau nicht gerecht.

Die Wahrheit ist vielschichtiger. Gerade die jetzt wieder verlegten früheren, vor Dessaus DDR-Zeit entstandenen Kompositionen vermitteln ein differenzierteres Bild von seinem Schaffen. Mit der Verfemung als Jude in Deutschland setzte bei Dessau zu Beginn der Jahre in der Emigration ein Prozess der Rückbesinnung auf jüdische Traditionen in der Musik ein. In der Folgezeit schrieb er zahlreiche synagogale Werke, Vertonungen jiddischer und hebräischer Texte, Bearbeitungen jiddischer Lieder, verarbeitete insbesondere in seiner New Yorker Zeit jüdische Themen. Seine Werke wurden in dortigen Tempeln aufgeführt.

Der jetzt bei Schott erschienene Jewish Dance entstand 1940. Es handelt sich um ein lebendiges und originelles Stückchen Musik, etwa fünf Minuten lang. Beginnend mit einer kurzen Violinkadenz wird bald das Tanzthema, eine einfache Tonfolge in d-Moll in alternierendem 2/4- und 3/8-Takt vorgestellt und in allen möglichen Varianten verarbeitet. Die Notenausgabe gibt keine Auskunft darüber, ob es sich um dabei und bei der in den Takten 60 bis 63 von der Geige vorgetragenen Melodie um eine eigene Erfindung oder um ein traditionelles Thema handelt.

Interessant ist die recht pikante harmonische Struktur. Ohne jemals wirklich den tonalen Rahmen zu verlassen, erscheint die Musik mit auffallend vielen Sekund-, Sept- und Nonen-Klängen sozusagen scharf gewürzt.

Eine weitere Violinkadenz und sechs Takte Kehraus beschließen das kleine Werk. Die eher milden virtuosen und rhythmischen Ansprüche der Partitur – einige Passagen der Violine sul G bis in hohe Lagen, Akkorde und Doppelgriffe, ein etwas verquerer Klaviersatz, Taktwechsel in schnellem Tempo – dürften Profis kaum schrecken.

Die vorliegende Ausgabe ist in Bezug auf Druck und Layout

tadellos und entspricht gewohnt hohem Standard.

Herwig Zack