Klein, Bernhard
Jephta
Oratorium, Partitur
Diese umfangreiche, sorgfältig edierte und exzellent kommentierte Partiturausgabe erfüllt alle Forderungen, die man an eine wissenschaftlich betreute Veröffentlichung dieser Art stellen kann. Es handelt sich um Band 40 der Denkmäler rheinischer Musik, hg. von der Arbeitsgemeinschaft für rheinische Musikgeschichte, mit dem ein Werk erstmals vollständig nach heutigen Maßstäben publiziert wird, das zu seiner Zeit recht bekannt war und das innerhalb der Gattung Oratorium einen wichtigen geschichtlichen Punkt zwischen Haydn und Mendelssohn markiert. Der Komponist Bernhard Klein (1793-1832) schrieb Messen, Oratorien, Kantaten, Chormusik, Lieder, drei Opern und einige Instrumentalmusikwerke. Er wirkte zunächst in Köln, später in Berlin, war Lehrer an der dortigen Universität und der Kirchenmusikschule und leitete das Niederrheinische Musikfest 1828 in Köln, wo das Oratorium Jephta mit großem Erfolg uraufgeführt wurde.
Der Stoff entstammt dem Alten Testament (Das Buch der Richter, Kapitel 11). Der Text von Brassier de Saint-Simon Ballade weicht aber in wesentlichen Punkten von der biblischen Vorlage ab. Musikalisch ist das Werk geprägt von einer durchaus eigenständigen, zeitgemäßen Adaption der Stilmittel Georg Friedrich Händels, dessen Oratorien, die damals in Deutschland immer bekannter wurden, Bernhard Klein intensiv studiert hat. Das zeigt sich in den großen, oftmals polyfon angelegten Chören, in den charakteristischen Soloarien und in den vom Orchester begleiteten Rezitativen sowie in der wirkungsvollen dramatischen Anlage des Ganzen und seiner drei Teile.
Die Edition des Notentextes von Karla Schröter einschließlich eines Editionsberichts, der alle wichtigen Angaben enthält, wirkt gründlich, klar und korrekt, auch wenn man das als Rezensent naturgemäß nicht im Detail beurteilen kann. Eine wertvolle Ergänzung ist die Wiedergabe späterer Fassungen einer Arie und eines Chores sowie der Abdruck des Textes im Anhang, der die Übersicht über das Werk erleichtert.
Besonders hervorzuheben ist das ausgezeichnete, extensive Vorwort von Alain Gehring. Auf über 14 Seiten (DIN A4) liefert es zunächst eine Biografie, sodann Daten und Umstände der ersten Aufführungen, ferner einige Bemerkungen zu den Quellen und schließlich sehr kompetente und lesenswerte Interpretationen des Textes und der Musik. Über ein Vorwort weit hinausgehend werden hier harmonische und motivische Zusammenhänge zwischen den einzelnen Nummern und Teilen dargestellt und viele Einzelheiten des Werkes analytisch aufgearbeitet. Die Nähe zu einer Reihe von Händelschen Oratorien (an Beispielen aufgezeigt), die schöpferische Auseinandersetzung mit anderen historischen Vorbildern und das Besondere der Komposition Bernhard Kleins, seine persönliche musikalische Diktion, kommen hierbei gleichermaßen zur Sprache.
Peter Schnaus