Jazz in Opera meets Jiggs Whigham
live at Konzerthaus Dortmund 28.11.2004
Wer wenig Zeit hat, liest seit kurzem Short-Books. Werke der Weltliteratur schrumpfen da auf maximal acht Seiten zusammen. Zeit sparen können aber auch Opernfans. Carmen für Eilige zum Beispiel, gespielt vom Ensemble Jazz in Opera, dauert kaum 20 Sekunden. Serviert wird der musikalische Espresso als letzter Take auf einer bei Artivo Records erschienenen CD, die einen Konzertmitschnitt vom November 2004 im Konzerthaus Dortmund präsentiert. Damals stand das Dortmunder Ensemble Jazz in Opera zusammen mit dem renommierten Posaunisten Jiggs Whigham als Stargast auf der Bühne. Anlass war das 30-jährige Bestehen des Ensembles. Gespielt wurden bekannte Stücke aus Oper, Operette und Konzert, aber auch Jazz-Standards wie etwa How high the moon von Bart Howard oder Dont get around much anymore von Duke Ellington.
Das Ensemble Jazz in Opera wurde vor mehr als dreißig Jahren von Mitgliedern der Dortmunder Philharmoniker gegründet. Bis 1992 trat man vorwiegend als Dixieland-Band auf, danach formierte sich um den Geiger Walter Schipper und den (mittlerweile verstorbenen) Bassisten Fredi Klare die Quintettbesetzung, zu der noch Harald Neukirch (Klavier, Arrangements), Matthias Grimminger (Klarinette) und Jan Freund (Schlagzeug) gehören. Dieses Ensemble beschritt neue Wege und widmete sich einem mehr kammermusikalischen Jazzstil, der eine Verschmelzung von klassischer Musik und Jazz anstrebt. Dabei verläuft die Kontaktaufnahme der Genres in beiden Richtungen. Den ersten Teil von How high the moon etwa hat Neukirch unter Verwendung von Intervallbausteinen des Themas als neobarockes Präludium gestaltet. Das kontrapunktische Geflecht wird allerdings nach kurzer Zeit von einem entspannten Swingteppich abgelöst, über dem sich Jiggs Whighams mal butterweiches, mal markantes Spiel entwickeln kann. Häufiger jedoch wird der umgekehrte Weg eingeschlagen ein klassisches Thema wird mit Mitteln des Jazz in Szene gesetzt. Aus dem Largo aus der Dvor?ákschen Neue-Welt-Sinfonie etwa macht das Ensemble eine ruhig schwingende Ballade, die die bekannte Musik neu beleuchtet, ihr aber nichts von
der träumerischen Melancholie nimmt. Von den beiden Themen aus Solveigs Lied nach Grieg startet das Ensemble improvisatorische Ausflüge ins Reich des Bossa Novas, die Romanze aus der Kleinen Nachtmusik verbindet sich mit Cole Porters Night and Day zur Little Night and Day Music, die auch Beethovens Elise und Ein Männlein steht im Walde und andere Zitate einschmilzt. Mit fernöstlichen Assoziationen spielt Butterfly Lovers, während Drunt in der Lobau als herrlich sentimentale Schrammelmusik beginnt und als vom Auditorium beklatschter Jazz-Marsch fortgesetzt wird. Die Arrangements von Harald Neukirch wirken nie überladen, verbinden Anspruch mit Augenzwinkern. Jeder Solist erhält genügend Raum zur Entfaltung, gleichzeitig kommt auch kammermusikalisches Spiel zu seinem Recht. Störend ist lediglich, dass Klarinette und Violine von der Aufnahmetechnik zeitweise stiefmütterlich behandelt werden und klingen, als würden sie irgendwo hinter der Bühne spielen.
Mathias Nofze