Waterhouse, Graham

Jacobean Salute op. 34

für Bläserquintett, Streichquartett und Kontrabass, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Lienau, Frankfurt/Main 2003
erschienen in: das Orchester 07-08/2004 , Seite 76

Der 1962 in London geborene und heute in München lebende Cellist und Komponist Graham Waterhouse legt zwei Werke aus den 90er Jahren vor, die auf unterschiedliche Art historisierende Bezüge aufweisen. Die musikalischen Charaktere im Nonett – so der Komponist in seinem Vorwort – sind geprägt durch Erinnerungen an die Dichter Bysshe Shelley und Lord Byron. Jacobean Salute gründet sich auf schottische Dudelsackmotive aus dem 17. Jahrhundert.
Dem Nonett als Motto vorangestellt ist ein kurzes Hornmotiv, das wesentliche konstruktive Elemente des Werks exponiert: die kleine Terz als Sequenzintervall, den von den Hauptnoten umspannten Tritonus sowie einen Modus von abwechselnd großen und kleinen Sekunden, quasi ein Raster, von dem sich symmetrische Intervallkonstellationen ableiten lassen.
Das vom Komponisten so bezeichnete harmonische Spannungsintervall vom tiefen c zum hohen cis erscheint zunächst transponiert als melodische kleine None. Auch die Umkehrungen dieser konstruktiven Intervalle treten in charakteristischen Motivgruppen auf. Im Zentrum einer Folge kontrastierender Abschnitte steht ein Scherzo mit Trio. Hier wird ein bisher ungenutztes Element des Mottos aufgegriffen; die Nebenstimmen spielen mit Erweiterungen des erwähnten Modus. Die umgebenden Allegro-moderato-Abschnitte verwenden das gleiche kurzgliedrige thematische Material. Aus dem Rahmen neobarocker Konturen fallen einige Soli, die von pendelnden Achteln à la Rossini begleitet werden. Unregelmäßige Taktwechsel durchbrechen die gleichförmige Motorik.
Das Ausgangsmaterial ist stets präsent und nutzt die Möglichkeiten der entwickelnden Variation. Die äußere Klammer des symmetrischen Formplans bildet die Wiederkehr der Einleitung in der Coda, wobei durch veränderte harmonische Konstellationen diskret neue Farbwirkungen entstehen. Das Stück verklingt in einer unregelmäßigen Pendelbewegung auf cis-e, wobei alle Dissonanztöne nach und nach verschwinden. Hier findet auch das Spannungsintervall seine endgültige Auflösung. Stilistisch kann das Nonett als eine Rückschau auf Hindemith und Bartók aufgefasst werden.
Das thematische Ausgangsmaterial von Jacobean Salute rückt den Ton b ins Zentrum, das von anderen Intervallen symmetrisch umkreist wird. Das b erscheint auch als Grundton eines um
die Terz verkürzten Septakkords,
was der zitierten Melodie Lady Doyle’s Salute entspricht. Wiederholungen der Jig- und Reel-Abschnitte sowie das Aufgreifen der Einleitung am Schluss deuten eine Symmetrieform an, die nur durch einen kurzen Presto-Abschnitt, der auch das tonale Zentrum aufgibt, durchbrochen wird. Durch Unisonokoppelungen mit vereinfachten Varianten sowie äußere Parallelführungen bis zum Duodezim- und Doppeloktavabstand entstehen grelle Farbwirkungen, die die folkloristische Aura des Stücks unterstreichen.
Waren die Streicher- und Bläserstimmen im Nonett vielfältig ineinander verwoben, so findet hier ein konzertierendes Wechselspiel von Tutti, einzelnen Gruppen und Soli statt. Beide Werke sprechen bei aller Unterschiedlichkeit eine gemeinsame musikalische Sprache und eignen sich mit ihrer Dauer von je 13 Minuten bestens für eine gemeinsame Aufführung. Der Komponist ist mit den technischen Möglichkeiten der Instrumente vertraut und vermeidet extreme Lagen und Schwierigkeiten. Ein fehlendes Vorzeichen in der Hornstimme von op. 34 werden die Ausführenden mühelos ergänzen.
 
Jürgen Hinz

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