Händel, Georg Friedrich

Israel in Egypt

Julia Doyle, Maria Valdmaa, David Allsopp, James Gilchrist, Roderick Williams, Peter Harvey, Nederlands Kamerkoor, Le Concert Lorrain, Ltg. Roy Goodman

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Etcetera KTC 1517
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 78

Händels 1739 entstandenes Oratorium Israel in Egypt ist ein beliebtes Stück – heutzutage. Als Händel es in London präsentierte, kurz nach der Uraufführung des Saul, erntete er damit keinen besonderen Beifall, was sich zu Händels Lebzeiten nicht ändern sollte. Israel in Egypt war keine seiner erfolgreichen Kompositionen. Händel korrigierte daran herum. Vor allem versuchte er, durch Einfügen von Arien dem Mangel an diesen abzuhelfen, aber es half nichts: Dem Publikum gefiel Israel nicht und die Zahl der Aufführungen blieb zu Händels Zeiten einstellig. An den Mängeln des Stücks hat sich bis heute nichts geändert.
Von 42 Nummern sind 25 Chorsätze; durch das Fehlen von Arien und Rezitativen hat sich Händel selbst jener Mittel beraubt, mit denen er am besten dramatische Stoffe gestalten konnte. Ein solcher ist Israel nicht, denn der Text stammt, wie beim Riesenerfolg Messiah von 1742, ganz aus der Bibel. Für Messiah hatte Händel allerdings seine Lektion gelernt und die bekannte und beliebte abwechslungsreiche Anlage geschaffen.
Der Zuspruch, den Israel in Egypt heutzutage genießt, verdankt sich vor allem dem Umstand, dass Chöre aller Art darin sehr viel zu singen haben und dabei nicht überfordert werden. Der künstlerische Wert hat sich nicht gebessert. Händel ist am besten, wenn er Personen erfinden und Handlungen gestalten kann. Die Abfolge von Chor auf Chor geriet ihm öde.
An dieser Wirkung ändert auch ein so guter Chor wie der Nederlands Kamerkoor nichts. Da sind wunderbare Sänger am Werk, die Soprane klingen rein und glockengleich, die Tenöre rund und brillant, die Bässe schlank und präsent. Aber es dauert nicht lange und man hat sich satt gehört, weil Händel so massiv einen fast homofon deklamatorischen Stil anwandte und nur zu wenigen formalen Ideen fand. Kleine Höhepunkte des Stücks und der Aufnahme sind natürlich die Schilderungen der Plagen im zweiten Teil, das Larghetto aus dem Orgelkonzert F-Dur am Beginn dieses Teils und die Arien und Duette im dritten Teil.
Aber bis auf die Plagen-Chöre wirkt dies erratisch zusammengestellt und ohne eine innere Dramaturgie, die den Hörer mitziehen könnte. Alle Mitwirkenden, die Solisten Julia Doyle, Maria Valdmaa, David Allsopp, James Gilchrist, Roderick Williams und Peter Harvey, machen ihre Sache gut bis sehr gut, exzellent das Orchester „Le Concert Lorrain“, jedoch das Stück ist nicht zu retten. Schon John Eliot Gardiner mit seinen Spitzenkräften war daran gescheitert, Nikolaus Harnoncourt hat es gar nicht erst eingespielt – Roy Goodman braucht sich also nicht zu grämen, dass auch er Israel nicht von seinen schweren Geburtsfehlern heilen kann.
Laszlo Molnar