Brahms, Johannes / Leos Janácek
Intimate Letters
Streichquartett a-Moll / Streichquartett No. 2
Noch in seinem 74. Lebensjahr hat Leos Janácek ein Werk von allerhöchster emotionaler Intensität geschaffen. Das in der Musik hinterlegte Gefühlsgeständnis von Janáceks Intimen Briefen, so der Titel seines zweiten Streichquartetts, kennt eine Adressatin: Kamila Stösslová, die Frau, die er abgöttisch liebte.
Auch in Brahms a-Moll-Quartett op. 51/2, das das Heine Quartett mit Janáceks Intimen Briefen gekoppelt hat, geht es um menschliche Beziehungen. Brahms ursprüngliche Widmung an Joseph Joachim hatte er wegen eines Zerwürfnisses mit dem Geiger wieder fallen lassen. Doch Joseph Joachim, der das Quartett ungeachtet der vormaligen Differenzen mit dem Komponisten uraufführte, hatte die im Kopfsatz versteckte Tonfolge f-a-e sehr wohl verstanden, verkörperte dieses Motiv doch das Motto der gemeinsamen Freunde Joseph Joachim, Robert Schumann, Johannes Brahms und Albert Dietrich: Frei, aber einsam.
Man könnte meinen, dass das Hintergrundwissen um so viel innere Glut, die diesen beiden Werken gemein ist, sich auch auf den gestalterischen Ansatz auswirkte. Doch das Heine Quartett wählte etwa für Brahms a-Moll-Quartett eine Herangehensweise ohne jedes schwärmerische Moment. Nimmt man beispielsweise den Kopfsatz des Werks, so erscheinen Elemente wie eine impulsive Akzentuierung oder ein geweiteter Ambitus der Dynamik zurückgedrängt, das Ensemble achtet mehr auf Stimmenausgleich und auf Durchsichtigkeit und erweist sich eher altersweise als jugendlich forsch. Immer bleibt die Ästhetik dabei ein Korrektiv des Temperaments. So bekommt man auch die nachfolgenden Sätze zu hören, in ausgewogener Balance und edler Abgeklärtheit das Andante moderato, in mildes Licht getaucht und in kleinteiliger Eleganz den dritten Satz. Erst im Finale kommen Impetus und Strahlkraft ins Spiel, bleiben aber auch hier eingebunden in eine ausgeklügelte gestalterische Akkuratesse.
Doch dies alles bekommt der Wiedergabe außerordentlich gut; die Transparenz der Textur ist beispielhaft und, hat man sich erst einmal eingehört in diese so feingeistige Gestaltungsweise, öffnet sich dem Hörer ein wahres Kaleidoskop an sensibelster Abtönung, an Lebendigkeit und höchster Spannungsfülle.
Äußerste Durchhörbarkeit und klangliche Ästhetik bestimmen auch die Darstellung von Janáceks zweitem Streichquartett. Niemals überzeichnet das Heine Quartett die hart aufeinanderfolgenden musikalischen Kontraste, niemals überspitzt das Ensemble so etwa im zweiten Satz die penetrierende Marter von Janáceks Figurenverkettung. Ungemein feinfühlig weiß man demgegenüber mit den Klangfarben umzugehen und vermag dem sehnsuchtsvollen Tonfall noch eine manische Komponente beizuordnen. Die aneinandergereihten musikalischen Glieder werden feinnervig vernetzt und wahren auch in ihrer disparaten Vielfalt einen organischen musikalischen Fluss. Der rein technische Aspekt der Klangmodellierung gerät dabei niemals in den Fokus des Hörers, das Höchstmaß an Genauigkeit erwächst ungemein diszipliniert wie aus sich selbst heraus und erweist sich von einer phänomenalen Leichtigkeit.
Thomas Bopp