Debussy, Claude
Intermezzo/Scherzo
für Klavier und Violoncello
Dass Claude Debussy der Duobesetzung Cello/Klavier nicht nur seine berühmte Sonate aus dem Jahr 1915, sondern Jahrzehnte früher bereits zwei Einzelsätze anvertraut hat, konnte man stets den Werkverzeichnissen entnehmen, doch waren bis vor Kurzem weder das zwischen 1880 und 1882 entstandene Intermezzo noch das auf Juni 1882 datierbare Scherzo
in kompetenten Ausgaben greifbar. Dank der Edition des Henle-Verlags besteht nun einmal mehr die Möglichkeit, interessante Blicke in die Lehrzeit des angehenden Meisters zu tun: Bereits 1986 veröffentlichte Henle mit dem frühen Klaviertrio ein Werk aus jener Phase, da Debussy als Hauspianist der Tschaikowsky-Gönnerin Nadeshda von Meck wirkte, deren Töchter unterrichtete und begleitete, gemeinsam mit ihr, dem Geiger Pachulsky und dem Cellisten Danilchenko nach Russland reiste und aus diesen Tätigkeiten Wesentliches für sein späteres kompositorisches Wirken profitierte. Auch die Entstehung der beiden Cellowerke ist in diesem Zusammenhang zu sehen.
Formal bewegt sich Debussy hier noch in konventionellem Rahmen beiden Stücken liegt ein ABA-Schema zu Grunde, wobei die wiederkehrenden A-Teile jeweils verkürzte, variierte Wiederholungen darstellen und in eine Coda mit Strettawirkung einmünden. Das Vorbild Faurés ist unschwer herauszuhören. Dessen farbige, überraschungsreiche Harmonien greift Debussy auf, gelegentlich besonders im Einsatz von Quint- und Quartklängen schimmert die oszillierende Akkordik des späteren Debussy hindurch. Während das Scherzo auf einem mazurka-artigen Grundrhythmus basiert, lassen Rhythmik und Melodik des Intermezzo unverkennbar
Debussys lebenslange Liebe zur Musik Spaniens erkennen.
Verlag und Herausgeber sei für die lohnende Repertoireerweiterung gedankt. Zumindest aus cellistischer Perspektive können beide Stücke durchaus für den fortgeschrittenen Unterricht empfohlen werden die technischen Anforderungen sind nicht vergleichbar mit denen der Debussy-Sonate , und auch der Klavierpart bewegt sich im Bereich des für Debussys Verhältnisse Machbaren.
Entstehungs- und Publikationsgeschichte der charmanten Piècen werden im Vorwort erläutert: Beide Stücke entstammen (zumindest projektierten) größeren Werkzusammenhängen. Das Autograf des Scherzos trägt die Überschrift Nocturne et Scherzo, von einem weiteren Nocturne-Satz fehlt jedoch jede Spur. Ebenso wie von weiteren Sätzen einer Suite pour Violoncelle et Orchestre, der das Intermezzo angeblich entstammt. Dessen Autograf gelangte um 1930 in den Besitz des Cellisten Gregor Piatigorsky, der wiederum eine Kopie dieses Autografs seinem Schüler Jeffrey Solow überließ. Letzterer zeichnet verantwortlich für die Einrichtung der Cellostimme in der vorliegenden Henle-Ausgabe. Dankenswerterweise hat der Verlag der mit recht subjektivistischen Strich- und Fingersatzideen ausgestatteten Solow-Einrichtung eine weitere Solo-Stimme beigegeben, die keine Zutaten enthält.
Gerhard Anders