Peters-Messer, Jakob / Bettina Stöß (Hg.)

Inszenierungen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel, Leipzig 2011
erschienen in: das Orchester 05/2011 , Seite 68

In Zeiten galoppierenden Publikumsschwunds in den Operntheatern kann man dem verlegerischen Mut seine Anerkennung nicht versagen, der es wagt, einen Bildband über zeitgenössische Operninszenierungen auf den Buchmarkt zu schicken. Hängt doch das Fernbleiben des Publikums nicht nur mit der zunehmend erbärmlicheren Musikerziehung in Schulen und Elternhäusern oder mit leeren Portemonnaies gegenüber als zu hoch empfundenen Eintrittspreisen zusammen, sondern zu einem guten Teil auch mit dem modernen Regietheater, das von vielen nicht verstanden wird und auch nicht verstanden werden will.
Der aufwändig gestaltete Bildband stellt 14 Inszenierungen des Regisseurs Jakob Peters-Messer in begeisternden Fotografien der Theaterfotografin Bettina Stöß vor. Ihre Bilder dokumentieren die Arbeit des Regisseurs in kongenialer Weise, sind aber auch Kunstwerke sui generis. Die begleitenden Texte verstehen sich weniger als Inhaltsangaben zu den Opern (das fällt ja auch eher in die Zuständigkeit von Opernführern), denn als Subtexte zu den Inhalten. Ganz deutlich wird das z.B. bei Gounods Faust, wo kaum auf den Inhalt, vorzüglich aber auf die szenische Umsetzung abgehoben wird: „Sechstes Bild: Die Walpurgisnacht als komplementäres Bild zum Kaufhaus. Die Kehrseite des Konsums und das, was davon übrig bleibt: die Müllkippe.“ Auf der – irgendwie – ja auch Margarete landet, bevor „der Herr“ sie erlöst.
Peters-Messer interpretiert die Stoffe in seinen Texten so, wie er sie auf der Bühne sehen will. Falls es eine Klammer gibt, die alle diese Inszenierungen miteinander verbindet, dann ist es die, dass in seinen Stücken die Menschen in aller Regel nicht zueinander finden – selbst dann nicht, wenn sie sich nach dem Willen des Librettos am Ende eben doch irgendwie „kriegen“ (wie z.B. in Haydns L’Infedeltà Delusa oder Monteverdis Heimkehr des Odysseus). Augenfälligstes Symbol hierfür ist eines der Fotos von Bettina Stöß zur Inszenierung von Strawinskys The Rake’s Progress: zwei Hände, die sich in bedrückender Vergeblichkeit einander entgegenstrecken.
Tut man einen Blick in die Randbereiche des Buchs, also in die Vorworte, in das Impressum, in die Kurzbiografien der am Buch beteiligten Personen, dann fällt eines auf: Regisseur, Fotografin, die beiden Vorwortgeber, Bühnen- und Kostümbildner sind alle auch im „wirklichen Leben“ miteinander verbandelt, und so könnte man etwas maliziös behaupten, dass mit diesem Prachtband eine Seilschaft sich selbst feiert. Aber warum auch nicht, wenn die Feier so ansprechend ausfällt: ein Opernbuch, schön, wie Oper ohne Musik nur eben sein kann! Klappern gehört bekanntlich zum Handwerk, und von Peters-Messer über Stöß bis hin zu Goscha Nowak, die dem Buch den letztendlichen Schliff gab, haben alle Beteiligten mit dieser prächtigen Publikation ihren Marktwert gewiss nicht unerheblich gesteigert!
Friedemann Kluge